Einfallsachsen – wer fällt da in die Städte ein?

In einem Interview in der heutigen NZZ fordert ASTRA-Chef Jürg Röthlisberger „Einfallsachsen in die Städte hinein“. Man fragt sich: Wer soll hier überfallen werden? Oder – pardon – überfahren? Und wer wird zugelärmt? Die Städte wehren sich gegen diese Zufahrtsachsen und sie wissen sehr wohl, weshalb sie es tun. Die Verkehrsprobleme stehen zuoberst in der Sorgenliste, die EinwohnerInnen stimmen regelmässig und mit klaren Mehrheiten für eine Verkehrspolitik, die Plätze und Strassen lebensfreundlicher macht, Lärm verhindert und Velo und öV fördert. Der Vorwurf von Jürg Röthlisberger an die Städte, sie würden eine dogmatische Verkehrspolitik betreiben, geht völlig an den Wünschen der Bevölkerung vorbei. Sie wehren sich überall mit Auftrag der Bevölkerung und nah an ihren Lebenswünschen gegen weitere Hochleistungsstrassen quer durch die Städte.

Röthlisbergers Begriff der „Einfachsachse“ soll in Luzern in Form der Spange Nord seine Materialisierung finden. Wir wissen, welche massiven Folgen der Bau hätte: Ein vierspuriger Autobahnzubringer quer durch ein Quartier und letztlich Mehrverkehr in der Stadt, da die Einfallsachse nicht nur Verkehr aus der Stadt auf die Autobahn führt, sondern eben auch den umgekehrten Weg ermöglicht.

Im Weiteren strotzt das Interview von einer Technikgläubigkeit. Verkehr wird mit Wasser und Strom verglichen. Das untergeordnete Netz muss den Verkehr des übergeordneten Netzes aufnehmen und als Ausbaugrund für die Autobahnen nennt Röthlisberger, dass 2040 mehr Leute pendeln wollen oder „im Jura ihren Kaffee trinken wollen.“ Das ist ein lineares Fortführen der heutigen Politik. Doppelstöckige Autobahnen und die Umnutzung von Pannenstreifen sollen die Kapazitäten weiter erhöhen und Denkverbote wolle man nicht.

Es bräuchte wohl mehr Denkarbeit in eine ganz andere Richtung: Wir brauchen auch im Verkehrsbereich und -infrastruktur eine klare Strategie zum Schutz unseres Klimas. Wir brauchen eine Verkehrspolitik, die auf Vermeidung und Verlagerung setzt und wir brauchen Personen an der Spitze der Verwaltung, die nicht die Verkehrspolitik der Städte torpedieren.

Bypass: Kritische Überprüfung unerwünscht

Interview von Gian Waldvogel

Michael Töngi vertritt die Grünen Anliegen in der Verkehrskommission des Nationalrates. Für den Präsidenten von VCS Luzern ist klar: Das viele Geld für neue Strassen bedroht das Klima und die Lebensqualität in der Schweiz. Linderung könnte unter anderem die Digitalisierung schaffen, doch die Früchte des Silicon Valley sind mit Vorsicht zu geniessen.

Gian Waldvogel: Du kommst gerade aus der Verkehrskommission, die über weitere Strassenbauprojekte entscheiden hat – was ist dein Eindruck?

Michael: Statt einer kritischen Überprüfung der vorgeschlagenen Projekte – zu denen auch der Bypass gehört – hat die Kommission weitere Strassenprojekte in die Liste aufgenommen. So etwa die Umfahrung Näfels, obwohl selbst der Kanton Glarus die Realisierung nicht als dringlich erachtet. Ein unglaublicher Wettbewerb zu Gunsten neuer Strassen!

Gian: Der West-Ast in Biel, Bypass und Spange Nord in Luzern, eine zweistöckige Autobahn im Limmattal, um nur einige Beispiele zu nennen: Woher kommt dieser grosse Druck, derartige Betonwalzen durch urbane Gebiete zu führen?

Michael: Die Verkehrspolitik in Bern ist im Strassenbereich weiter auf Wachstum ausgerichtet. Das ist der Fluch des Strassenverkehrsfonds, den das Volk unterstützt hat: Dank dem NAF sprudelt das Geld, das jetzt in neue Projekte gebuttert werden kann. Zudem herrscht ein Verteilkampf zwischen den Regionen, alle möchten ein Stück des grossen Kuchens abbekommen. Deshalb setzen sich viele Politiker für Nationalstrassenprojekte in ihrem Kanton ein.

Gian: Ist diese massive Förderung der Strasseninfrastruktur auf Bundesebene denn vereinbar mit dem Klimaabkommen von Paris und der Energiestrategie des Bundesrates?

Michael: Der Bund argumentiert relativ lapidar, dass auch Elektroautos Strassen brauchen. Aber es ist klar, dass ein fossilfreier Individualverkehr fast nicht zu erreichen ist, wenn der Verkehr auf der Autobahn weiterhin jährlich um zwei Prozent zunimmt . Mit solchen Zuwachsraten wird auch in Zukunft eine Mehrheit der Fahrzeuge mit fossilen Brennstoffen angetrieben, weil die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen kaum mit diesem Zuwachs mithalten kann.

Gian: Sind denn Elektromobile die Lösung, um einen klimaverträglichen Autoverkehr sicherzustellen?

Michael: Sie sind Teil der Lösung, aber nicht die ganze. Wir müssen die Mobilität auch begrenzen und gleichzeitig ein Umsteigen auf effizienten öffentlichen Verkehr fördern. Hinzu kommen die Chancen aus der Digitalisierung, die beispielsweise ermöglichen, dass sich mehr Leute ein Fahrzeug teilen. Ganz wichtig ist, dass man die Entwicklung und Forschung in diesem Bereich nicht einfach Google und Co. überlässt.

Gian: Für die Zukunft der Mobilität ist Big Data also ein zweischneidiges Schwert?

Michael: Die Digitalisierung der Strasse, wie sie die grossen Konzerne vorantreiben, kann auch zur Folge haben, dass sogar noch mehr Autos auf der Strasse fahren. Etwa, weil der Strassenraum in der Schweiz noch effizienter genutzt werden könnte. Hier muss die Schweiz eigene Mittel investieren, um die Chancen der Digitalisierung im Sinne einer umweltfreundlicheren und platzsparenden Mobilität zu nutzen.

Gian: Du hast im September einen Vorstoss eingereicht, der vom Bundesrat Antworten einfordert, wie bei Strassenprojekten die Verträglichkeit für Anwohner und Siedlungsgebiete berücksichtigt wird. Fehlt es auf Bundesebene und in der Verkehrskommission an der Sensibilität für die Wünsche der Stadt- und Agglomerationsbewohner?

Michael: Durchaus. Es besteht grosser Nachholbedarf, die Städte sind in Bundesbern nicht gut vertreten. Ganz im Gegenteil zur Autolobby, die auch in der Verkehrskommission des Nationalrates ihre Anliegen effektiv vertritt.

Gian: Der Bypass wurde vom Bundesrat gutgeheissen, die Finanzierung steht bereits. Heisst das: Game Over für die Kritiker in Luzern?

Michael: Wir müssen realistisch sein: Das Projekt zu verhindern ist extrem schwierig. Gerade das Südportal ist jedoch für Kriens im derzeitigen Projektstadium völlig unbefriedigend. Ich engagiere mich dafür, dass in Kriens zumindest eine erträgliche Lösung gefunden wird mit einer längeren Überdachung der zehnspurigen Autobahn. Der Bund nimmt zu wenig Rücksicht auf die Bedingungen vor Ort und vergibt eine grosse Chance. Wenn eine Infrastruktur schon dermassen ausgebaut wird, so muss doch ein echter Mehrwert für die Ansässigen entstehen. Der Einbezug der Standortgemeinde geschieht jedoch nicht automatisch, er muss eingefordert werden.

Gian: Wie beurteilst du die Rolle der Luzerner Regierung?

Michael: Die Krienserinnen und Krienser sind der Meinung, dass sich der Regierungsrat viel stärker für eine längere Eindachung hätte einsetzen müssen. Leider erstaunt mich diese Kritik nicht: Wie der Kanton beim Autobahnzubringer Spange Nord mit den Quartierbewohnern umging, ist ebenfalls deplorabel. Er musste zuerst vom Kantonsrat zu einem Dialog verknurrt werden.

Gian: Bisher war das Kantonsprojekt Spange Nord mit dem Bundesprojekt Bypass gekoppelt, so haben sowohl der Regierungsrat als auch das Astra kommuniziert. Was geschieht, wenn die Spange Nord abgelehnt wird von der Bevölkerung oder gar zuvor von der Regierung fallengelassen wird – würde der Bypass dennoch umgesetzt?

Michael: Ich gehe davon aus. Das Geld ist vorhanden, andere baureife Projekte nicht in Sicht und da ist die Versuchung gross, den Bypass so oder so zu realisieren. Inzwischen versucht das Bundesamt für Strassen das 1,7-Milliardenprojekt damit zu legitimieren, dass bei einer Sanierung der Stadtautobahn eine parallele Infrastruktur notwendig sei. Dabei ist der City-Ring gerade erst erneuert worden. Und: Sollen wir denn jetzt alle Infrastrukturen verdoppeln, damit wir sie dereinst sanieren können?

Gian: Ein zentrales Argument für zusätzliche Strassenabschnitte ist jeweils die Engpassbereinigung, respektive weniger Stau. Aber sind denn weitere Fahrspuren ein praktikables Rezept gegen den Pendlerstress auf der Strasse?

Michael: Überhaupt nicht. Immer wenn ein Autobahnabschnitt erweitert wird, kommt es ein paar Kilometer weiter zu einem neuen Engpass. Es ist nun mal einfach so, dass mehr Strassen auch zu mehr Verkehr führen. Bestes Beispiel ist die A4- oder der Rontalzubringer. Kaum gebaut, waren die Strassen in den umliegenden Gemeinden innert kürzester Zeit  während den Stosszeiten wieder überlastet.

Gian: Gerade von bürgerlicher Seite wird wiederholt betont, dass man Schiene und Strasse nicht gegeneinander ausspielen soll. Macht dieser Dualismus Sinn oder sollte konsequenter auf Bus und Zug gesetzt werden?

Michael: Ich gehörte noch nie zu diesem Club, der dieses Credo predigte. Ich bin kein verbohrter Autogegner, es gilt jedoch die grösseren Zusammenhänge zu berücksichtigen. In der kleinräumigen Schweiz müssen wir den Verkehr platzsparend und verträglich für die Bevölkerung organisieren. Auf der Landschaft wird das Auto weiterhin eine Rolle spielen, aber in den grossen Ballungszentren sind nun einmal Zug, Bus und das Velo viel sinnvoller. Machen wir deren Vorteile nicht mit neuen grossen Infrastrukturen für den Autoverkehr kaputt.

Bundesrätliche Botschaft zum Bypass: Fragen müssen geklärt werden.

Diesen Montag und Dienstag habe ich Verkehrskommission.  Dabei entscheidet die Kommission auch über den Bau des Bypasses. Ich habe nun die Botschaft gründliche durchgeschaut. Wer hier drin Antworten erhalten will, wird nur enttäuscht. Die Krienser Einwände fehlen, die Frage der Spange Nord wird nicht geklärt und man findet auch keine Hinweise, weshalb der Bypass jetzt gebaut werden soll, obwohl er von der Dringlichkeit her nicht in der obersten Kategorie ist.

Deshalb will ich in der Kommission auf folgende Fragen Antworten erhalten:

1. Der Bypass figuriert in der nationalen Planung nicht unter der Kategorie der Projekte mit höchster Priorität. Weshalb wird er gegenüber anderen Projekten vorgezogen

2.  Die Kosten-Nutzen-Analyse aus dem Jahr 2016 wurde unter Berücksichtigung der Erstellung des kantonalen Strassenprojektes Spange Nord berechnet. Gibt es eine Kosten-Nutzen-Analyse für den Bypass ohne Spange Nord?

3. Wenn diese existiert, wie verändert sich das Verhältnis ohne den Bau der Spange Nord?

4. Mit einer Engpassbeseitigung ist erfahrungsgemäss meist an einem anderen Ort der nächste Engpass entstanden. An welchem Ort ist mit dem Gesamtsystem Bypass mit den nächsten Engpässen zu rechnen?

5. Der Bund rechtfertigt den Bypass mit einer nächsten Sanierung der A2 in der Region Luzern. Die letzte Sanierung wurde 2013 abgeschlossen. Welche weiteren Autobahnteilstücke sollen im Hinblick auf Sanierungsarbeiten verdoppelt werden?

6. Die Gemeinde Kriens bezeichnet das bestehende Projekt mit einer zehnspurigen Autobahn und einer kurzen Überdeckung als nicht siedlungsverträglich. Wie will der Bund eine Einigung mit der Standortgemeinde erzielen?

7. Müssen mit dem Bau des Bypasses die Immissionsgrenzwerte einer geänderten Anlage oder die Planungsgrenzwerte einer Neuanlage eingehalten werden?

Und selbstverständlich: Der Bund muss sich erklären, was er machen wird, wenn die Spange Nord am richtigen und nötigen Widerstand scheitern wird. Es reicht nicht, dass er wie in einer Antwort auf eine Interpellation von meiner Nationalratskollegin Andrea Gmür nur verlauten lässt, er werde bei einem allfälligen negativen Entscheid der Luzerner Bevölkerung die Auswirkungen auf die Realisierung des Bypasses prüfen.

Bypass: Grundlagen oder Haltung veraltet?

Am Freitag hat der Bundesrat die Botschaft zum nächsten Ausbauschritt der Autobahnen verabschiedet. Erwartungsgemäss gibt er grünes Licht für den Bau des Bypasses in Luzern. Er ist mit Abstand der grösste Brocken in der beschlossenen Liste. Mit keinem Wort erwähnt der Bundesrat die Spange Nord, denn er wird wissen, dass sie am Widerstand der Bevölkerung scheitern wird.

Bis anhin aber war es der Bund, der eine Spange Nord verlangte. Und fast meint man beim Lesen der Botschaft, er habe zu wenig Zeit gehabt, diese Haltung zu revidieren und den Bypass ohne Spange Nord zu prüfen und zu begründen. Denn weiterhin lautet die Begründung für den Bypass, dass er eine positive Wirkung habe, weil Verkehr vom nachgeordneten Strassennetz auf die Nationalstrassenabschnitte verlagert werde. Das alles ist die übliche Argumentation der Zwillinge Bypass und Spange Nord (wir saugen Verkehr via Spange Nord aus der Stadt auf die Autobahn). Soweit ich den Überblick habe, gibt es auch keine neue Kosten-Nutzen-Analyse. Die bestehende aus dem Jahr 2016 hat explizit den Bau der Spange Nord in die Auswertung miteinbezogen.

Was heisst das nun? Wird der Bypass gebaut, ohne Entscheid zur Spange Nord abzuwarten? Hält der Bund weiter an dieser Verknüpfung fest? Wie hält es der Bund mit Analysen und Grundlagenpapiere, wenn diese von anderen Voraussetzungen ausgehen? Sind Kosten-Nutzen-Analysen eher ein Beschäftigungsprogramm für Ingenieurbüros oder doch ernsthafte Grundlagen?

Fragen für die Kommissionsarbeit

 

 

 

öV am kürzeren Hebel – massive Kürzung der Mittel

Letzten Dienstag hat der Regierungsrat eine Umverteilung der Gelder aus der Motorfahrzeugsteuer und LSVA vorgeschlagen. Der öffentliche Verkehr sollte einen etwas höheren Anteil aus diesen Abgaben erhalten. Grund: In der Strassenkasse ist Jahr für Jahr mehr Geld vorhanden. Eine relativ brisante Anhäufung, wenn man an alle Kürzungen in den verschiedensten Bereichen der letzten Jahren denkt. Mit einer Umschichtung wollte der Regierungsrat gleichzeitig die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs absichern. Denn dieser wird im Gegensatz zum Strassenbau zum grossen Teil aus dem normalen Budget finanziert.

Jetzt hat die zuständige Kommission aber bereits den Riegel geschoben und lehnt die Änderung ab. Sie will keine Umverteilung und die zunehmenden Mittel für den Strassenbau reservieren. Sie sagt selber: „Der Verteilkampf wird auch für das neue (Strassenbau-)Programm gross sein.“ Was sie nicht sagt: Mit ihrem Entscheid setzt sie den öffentlichen Verkehr noch mehr unter Druck und in Konkurrenz mit anderen Ausgaben. Ganz offensichtlich hat der Strassenausbau für die Kommission allerhöchste Priorität.

Die Änderung sollte bereits für 2019 gelten. Mit dem Wegfall der neuen Finanzmittel fehlen dem öffentlichen Verkehr 6.8 Millionen Franken! Will sie der Kantonsrat über das ordentliche Budget wieder einstellen, so muss er dieses Geld andernorts kürzen – will er die Schuldenbremse einhalten.

Der Kommissionsentscheid ist Wasser auf die Mühlen der öV-Initiative. Diese will für den öffentlichen Verkehr einen Fonds schaffen, der eine sichere und genügende Finanzierung schafft. Sie ist aktueller denn je, das Nein der Kommission für eine bessere Absicherung der öV-Finanzierung wird diesen Budgetposten in den nächsten Jahren massiv unter Druck setzen.

öV-Initiative: Der Regierung bei der Umsetzung helfen

Der Luzerner Regierungsrat hat seine Gründe gegen die öV-Initiative vorgelegt. Er hält sie für unnötig und zu teuer. Immerhin attestiert er der Initiative, dass sie „die erforderlichen Mittel für das öV-Angebot und die öV-Infrastruktur zu verstetigen“. Er sollte die Kosten nicht scheuen, denn die Initiative verlangt einzig, dass die im öV-Bericht und in der Finanzplanung eingerechneten Zahlen auch tatsächlich vorhanden sein müssen. Denn im Budget wurden die Zahlen noch immer zusammengestrichen.

Dies hatte negative Auswirkungen: Viele Projekte werden erst mit längerer Verzögerung realisiert, so ging die Mall of Switzerland ohne Verlängerung der Linie 1 auf und die Busbahnhofe in Ebikon, Horw, Sursee und weiteren Orten sind zwar geplant, die Realisierung wurde aber verschoben.

Der öffentliche Verkehr wird durch die Einführung eines Fonds auch nicht „privilegiert“, wie es die Regierung behauptet, sondern lediglich dem Strassenbau gleich gestellt, der über eine eigene und sichere Finanzierung verfügt. Die Initiative schafft auch hier gleich lange Spiesse.

Wer für einen attraktiven und bezahlbaren öffentlichen Verkehr ist, stimmt Ja zur öV-Initiative.

Breitere Strassen für grössere Autos – der Kollaps der Klimapolitik

Das Bundesamt für Strassen prüft gemäss einem Bericht der Sonntagszeitung neue Strassennormen. Weil die Autos immer breiter werden, müssten auch die Strassen breiter werden. Ein Schnapsidee in mehrfacher Hinsicht:

Erstes Ziel der Schweizer Politik muss sein, dass die Autos kleiner und leichter werden und sicher nicht die Förderung von SUV-Grössen. Wir haben klimapolitische Ziele und erreichen sie vor allem in der Mobilität nicht. Das hat direkt mit der Übermotorisierung und den übergrossen Autos in der Schweiz zu tun. Gerade diesen Sommer wurde der deprimierende Umstand diskutiert, dass der CO2 Ausstoss bei den Neuwagen zu- statt abnimmt. Wenn wir nun auch noch die Strassennormen den Übergrössen anpassen, so machen wir diese Autos zur Normalität.

Viele Städte und Gemeinden kämpfen für attraktivere Plätze, Strassengestaltungen und Verkehrsberuhigung. Wenn wir nun die Normen nach oben anpassen, widerspricht dies den Bemühungen der Städte, Velostreifen haben keinen Platz mehr, Trottoirs können nicht verbreitert werden und der triste Strassenraum wird vergrössert.

Immerhin: Die Beratungsstelle für Unfallverhütung hält nichts von der Argumentation, dass breitere Strassen für grössere Autos die Verkehrssicherheit erhöhen. Im Gegenteil – sie nehme ab, da breitere Strassen zu höheren Tempi führen. Auch sollen viele Kantone gegen eine Änderung sein.

Klar ist: Der Trend muss in die andere Richtung gehen. Wir müssen einen grossen Schritt vorwärts gehen bei der Senkung des CO2-Ausstosses der Mobilität. Dafür setzen sich die Grünen bei der CO2-Gesetzgebung ein und wir werden mit Vorstössen im Nationalrat dafür sorgen, dass Strassennormen nicht abseits der Öffentlichkeit geändert werden.

Schlechtere Verbindungen nach Oerlikon und zum Flughafen: Fragen an den Bundesrat

Wir lasen es in den Medien: Was die SBB als Ausbau und Vorteile für Luzern verkauft wird, ist in der Tat eine Verschlechterung – der Zug x.10 ab Luzern soll nur noch bis Zürich HB fahren, dafür wird der Zug x.35 nach Zürich bis nach Konstanz durchgebunden. Er hält aber nicht in Oerlikon und bleibt in Zürich  12 respektive 14 Minuten stehen. Die meisten Luzernerinnen und Luzerner fahren ja schon mal oder zweimal im Jahr in die Ostschweiz, doch eine direkte Verbindung nach Oerlikon ist für viele Pendlerinnen viel wichtiger und eine gute Anbindung an den Flughafen ist gerechtfertigt.

Dazu habe ich mit Kolleginnen und Kollegen im Nationalrat Fragen für die Fragestunde vom nächsten Montag eingereicht. Ich bin gespannt, wie Bundesrätin Doris Leuthard diese Verschlechterung erklären wird. Luzern ist mit seinem Fahrplan in viele Richtungen nicht optimal bedient und muss sich gegen solche Verschlechterungen wehren.

Unverdächtige Unterstützung aus Nidwalden

Wir kämpfen in Luzern gegen den Bypass. Die neue Autobahn verdoppelt die Kapazitäten auf der Autobahn und bringen freie Fahrt für noch mehr Autos. Statt Umsteigen ist dann wieder Einsteigen angesagt und hilft uns gar nichts in Richtung nachhaltige Mobilität.

Es ist eine Binsenwahrheit, aber eben eine wahre: Werden die Kapazitäten erhöht, so wird der Stau oft nur verlagert, einige Kilometer nach Norden und nach Süden. So fürchten sich die Hergiswiler zu Recht, beim Bau des Bypasses unter die Räder zu kommen. Dabei liegen die Fördermassnahmen Richtung Obwalden und Nidwalden auf der Hand: Das Umsteigepotenzial ist noch hoch und die Bahnlinien vorhanden. Ist die Linie in Hergiswil selber einmal auf Doppelspur ausgebaut, sind weitere Kapazitäten vorhanden.

Das bestätigt nun auch der Nidwaldner Regierungsrat: In seiner Stellungnahme zum nächsten Ausbauschritt der Nationalstrassen fürchtet er sich vor den zusätzliche Kapazitäten des Bypasses (mindestens verstehe ich so die Formulierung im Communiqué).

Noch zieht er die Konsequenz daraus, dass nicht nur der Abschnitt Buchrain – Kriens auf durchgängig mindestens sechs Spuren ausgebaut wird soll, sondern bis zur Verzweigung Lopper.  Aber werden damit die Probleme nicht einfach hinter den Lopper verschoben?

 

Erfreulicher Trend: Umsteigen funktioniert!

Heute berichtete der Berner Bund über die neuesten Verkehrszahlen in der Stadt Bern: Von 2014 bis 2017 nahm der Anteil der Velofahrten um volle 35 Prozent zu und liegt neu bei rund 15 Prozent des gesamtstädtischen Verkehrs. Der Rückgang des Autoverkehrs betrug im gleichen Zeitraum 9.8 Prozent. Der Artikel zeigt aber auch, dass der öffentliche Verkehr weiterhin das eigentliche Rückgrat des städtischen Verkehrs ist. Der Trend sei seit längerem zu beobachten, bemerkte der städtische Verkehrsplaner Karl Vogel.

Die Berner Erfahrungen bestätigt die Luzerner Erfahrungen: Auch hier nimmt der Autoverkehr im Stadtbereich weiter ab. Die vom Kanton prognostizierten Zuwachsraten werden nicht eintreffen. Höchste Zeit, dass er sie revidiert.

Dann wird sich nämlich auch zeigen, dass der minimale Entlastungseffekt der Spange Nord noch minimaler wird und sich die hohe Kosten und die Verschandelung mehrerer Quartiere nicht lohnt – sondern im Gegenteil den jetzigen Trend gefährdet.