Spital-Nahkampf. Oktober 2005

Die Fenster waren schon längst zu Schiessscharten verkleinert worden und die Türen mit Mobiliar verrammelt. In den Zimmern wurde eifrig gewerkt, aus Stetoskopen Wurfschleudern gemacht, Infusionsbeutel mit heissem Teer gefüllt, die Eisenrohre der Betten zu Blasrohre umgebogen, die Spritzen mit Munition gefüllt. In der Küche wurden Pfannen und Besteck im überhitzten Desinfikator eingeschmolzen und zu Schildern geformt. Tai-Chi und Chi-Gong wurde durch Bodenständigeres ersetzt: Oberärzte wie Pflegefachfrauen übten mit Skalpellen und Gehstöcken den Nahkampf. Sie wurden nicht gestört: Kein Wimmern der evakuierten Patienten drang mehr aus dem Keller – dank höheren Morphiumdosen. Das Spital Wolhusen war zur regionalen Festung ausgebaut worden. Obercondottiere Tamian Meyer bellte durch die Räume und sprach allen, die ihn hören wollten oder auch nicht hören wollten, Lobpreisungen auf eine starke Regionalpolitik zu.

Draussen im Lager der Angreifer liefen die Betonmischer unaufhörlich, der monotone Ton sollte das lokale Gewerbe in Trance versetzen und auf die Seite der Angreifer ziehen. Inzwischen heckte das doppelte Bühlmännchen aus Emmenbrücke die neuste Strangulation der kantonalen Finanzen aus, Wolhusen war nur eine Zwischenetappe, als nächstes sollte die verhasste Stadt geschlossen werden und dann der Sempachersee abgelassen und zu einer regionalen Jauchegrube umgebaut werden. Im Anschluss planten Lolek und Bolek – wie sie auch genannt wurden – einen Umbau der kantonalen Verwaltung in die Bühlmann Holding AG. Ansonsten war die Stimmung mässig: Kein einziges Restaurant in der Umgebung hatte mehr als 17 Gault-Millaut-Punkte erhalten, weshalb kollektiv und als Sparvorbild die ganze Truppe der Angreifer aufs Znacht verzichtete, Pfister fluchte, weil aus seinem Tornister Beton ausgelaufen war und seinen Armani-Anzug befleckt hatte. Doch dem dürren Ritter Markus aus dem Malterser Orden ging es noch dreckiger: Er ging nach Spritzen- und Betonbeschuss beim Versuch, als Fahnenflüchtiger die Seite zu wechseln, zu Boden und fragte sich bitter, ob so ein blödes Regionalspital tatsächlich einen nationalen Politiker seiner Grösse zu Fall bringen könnte. Nur Hauptmann Dammian Meyer röhrte ungeachtet weiter durch das Feldlager und sprach allen die Segnungen der baldigen Wiederkunft des finanzpolitischen Paradieses auf dem schönen Fleckchen Erde namens Luzern. Nur kurz war er irritiert, als er sein Spiegelbild in einer Schiessscharte des Spitals auftauchen sah. Glücklicherweise war ihm der Begriff Schizophrenie nicht geläufig.

In der Zwischenzeit hatte sich ein Heer von tapferen Landfrauen und rührigen Gemeinderäten aus dem Entlebuch auf den Weg gemacht, um dem bedrohten Spital zu Hilfe zu kommen. Um die Angreifer zu überraschen, nahmen sie den Weg über die Rengg, hinweg durchs Eigenthal nach Kriens. Wo sie überraschenderweise freitagabends eine Bar vorfanden, um sich zu erfrischen. Dort blieben sie dann länger hängen als geplant – der Caipirinha bot mit seinem Vitamin C eine gute Gesundheitsvorsorge für die kommende spitallose Zeit.

Fiebrige Hühner. Oktober 2005

Über dem eingang des versammlungslokals prangte der spruch: „krieg den palästen, friede den hühnerhäusern.“ Die gruppe krienser anarcho geflügel (kag) plante die nächste attacke. Gestern hatte sie es geschafft, in einer apotheke restbestände von tamiflu zu ergattern. Die kunden wie das personal zerstoben innert kürze in alle richtungen. Dabei hatten sie nur etwas die augen verdreht und über grippe geklagt, eines hatte sich extra – um echt zu wirken – einen wollschal besorgt und einen fiebermesser unter den flügel gesteckt. Bei der darauffolgenden plünderung hatte die hühnerschaft auch allerlei andere pillen mitgehen lassen, die sie jetzt während der vollversammlung genüsslich pickten. Die physischen wie psychischen wirkungen erschwerten die sitzung beträchtlich – eine teilnehmerin fühlte sich als ayurvedisches urhuhn und rezitierte lauthals sanskrit-verse, ein hahn halluzinierte, ein seeadler zu sein und stürzte sich von einem dachbalken hinunter. Als nächste aktion plante die truppe die zerstörung der seg-produktionsstätte im hinterland. Man hörte gruselgeschichten von dort, von nackten hühnern, enger vakuumkleidung, doch war noch nie ein huhn von dort zurückgekehrt. Die nächste aktion war ehrensache: An martini sollte dem schändlichen treiben in sursee einhalt geboten werden. Eine gruppe von junghähnen brachte einen antrag auf die fünf-tage-woche resp. befreiung von den weckdiensten samstags und sonntags ein. Unter dem hinweis, dass die revolutionäre situation alle kräfte verlangte, wurde er abgelehnt.

Zum abschluss der versammlung reckten die hühner die flügel in die höhe und sangen „Avanti pollo, bandiera rossa“, „Hühner, hört die Signale!“ und aus der Marseillaise „Aux armes, poulets! Formez vos bataillons!“

Aus trotz über ihre niederlage schlüpften die junghähne durch die strengen kontrollen ins freie und suchten eine bar, um ihren ärger hinunterzuspülen. Im ambrosia fühlten sie sich gleich wohl, weil’s dort kag-eier gab, obwohl es ihnen nicht recht klar war, welche hühner aus ihrer gruppe noch eier an menschen abgaben. Oder hatten sie etwas falsch verstanden?