Klimaveränderung I. Juni 2006

Ice Age 3

Eine kleine Flutwelle liess das Treibeis vor dem KKL bersten, der Reussgletscher hatte in Flüelen gekalbt und Tonnen von Eis waren in den See gestürzt. Man schrieb das Jahr 2106 und sah im frühen Aufbrechen der Eisfläche auf dem Vierwaldstättersee einen Hoffnungsschimmer für einen milden Frühsommer. Vielleicht, dass die Krüppelfichten und Zwergbirken im Bireggwald wieder grün würden und das Edelweiss und die Alpenrosen auf der Allmend es bis zur Blüte schafften. Die Siedlungen rund um Luzern waren längst aufgegeben worden und die Eingemeindung lief quasi auf dem kalten Weg ab. Auch der Steuerwettbewerb hatte sich erledigt: Nid- und Obwalden waren von Gletschern bedeckt.

Angefangen hatte alles – wie Ältere erzählten – genau Hundert Jahre zuvor. An einem düsteren Tag am Ende des Mais brachte eine Front mit Blitz und Donner Kälte und Regen. Die Schneefallgrenze sank weit hinunter und der Sommer zeigte sich das ganze Jahr nicht mehr. Die Kirschen fielen grün von den Bäumen, die Äcker verwandelten sich in morastigen Sumpf und die Leute klagten über die Frösche und Feuersalamander, auf die man selbst in Waschküchen, Briefkästen und Velosatteltaschen traf. Nacheinander sanken die Kurse der Freibäder, der Bierhersteller und der Grünen.

Das Wetter erholte sich nicht mehr, zuerst stritt man sich noch, wer den Golfstrom abgedreht hatte, doch musste man sich schnell handfesteren Dingen zuwenden: Im Jahre 2015 durchschwamm die erste Elchherde den Rhein und machte bald das ganze Mittelland unsicher. Für die unterlegenen Kühe gab es einen Stallzwang und als ein paar Jahre später der Rhein nicht mehr durchschwommen, sondern zugefroren überquert werden konnte, kamen all die Tiere aus der Norddeutschen Steppenlandschaft (Schneehasen, Schneeziegen, Schneeschafe, Schneeschnecken, Schneeschaben und Schneekröten) in die Nähe der Alpen. Dem ehrgeizigen russischen Forscher Geniwitsch Klonow war es auch zu verdanken, dass das sibirische Mammut wiederauferstand. Das erste versoff zwar noch im Rhein, doch im nächsten Winter trug das Eis selbst diese Tiere.

Einige Ältere erinnerten sich noch, dass man sich früher im Garten des Ambrosia in Kriens jeden ersten Freitag im Monat traf. Jetzt, da sich doch seit einigen Tagen Temperaturen über dem Gefrierpunkt hielten, wollten sie einen Ausflug Richtung Kriens entlang des Krienbachgletschers wagen, vielleicht, dass immerhin die Wodkaflaschen nicht vor Kälte zersprungen waren und es für einen Ice Smirnoff reichte – auch wenn einem ein Aprikosenlikör oder ein Kirsch (ah, nur schon der Name) mehr gepasst hätte – doch das Zeug war nicht einmal mehr im Schwarzhandel zu haben.

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