Über die Instrumentalisierung von Gewaltverbrechen

Im Blog von Yvette Estermann gibt Werni Birrer den linken Parteien die Schuld für die Schiesserei in Kriens von dieser Woche, die einem Mann das Leben gekostet hat. Er haut voll auf die Pauke, der Text (http://www.estermann-aktuell.ch) ist in seinem Hass auf die Linken lesenswert. Auch die Bemerkung von Röbi Thalmann in einem Vorstoss ist grenzwärtig: „Die Linken haben die heutigen Verhältnisse provoziert“ – damit kann ja nur die Schiesserei gemeint sein.

Bitte auf dem Boden bleiben: Man kann über politische Inhalte streiten, argumentieren, man soll es auch, denn die Leute sollen überzeugt werden. Da darf auch mal etwas zugespitzter sein. Einer Partei aber eine Schiesserei anzuhängen und diese Tat für parteipolitsiche Zwecke zu instrumentalisieren, ist so ziemlich das letzte, was jetzt am Platz ist.

Kommt hinzu: Die konkreten Vorschläge, die dann die SVP bringt, sind weder neu noch glaube ich an ihre Wirksamkeit: Da wird eine Videoüberwachung auf dem Dorfplatz vorgeschlagen (glaubt jemand, die verhindere eine Schiesserei?) und mehr Polizeipräsenz (da bin ich erstens gespannt, ob die SVP auch bereit ist, diese zu bezahlen und zweitens mag ja das Sicherheitsgefühl steigen, wenn eher mal ein Polizist patroulliert, aber solche Verbrechen werden sie kaum verhindern).

Bankgeheimnis: Das muss ja doch noch sagen

1984 stand ich das erste Mal für ein wirklich politisches Anliegen auf der Strasse: Die Bankeninitiative war ein heisses Eisen und interessierte mich als junger Drittweltaktivist. Gelder aus Diktaturen lagerten in der Schweiz und sorgten für Empörung. Leider verloren wir die Abstimmung, sie hatte damals eine Reform des Bankgeheimnisses zum Ziel. Heute nun, kommen gestandene bürgerliche Politiker und erklären, der Unterschied zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sei tatsächlich nicht so einfach zu erklären und vielleicht müsse man da was ändern. Andere schlagen vor, die Schweizer Banken hätten doch genug andere Vorzüge, als dass sie Steuerhinterziehung fördern müssten.

Man staunt und sieht wieder einmal, wie die Welt funktioniert. Die Heuchelei der Entrüstung über die unschönen Druckmassnahmen der USA sollte sich die Schweiz wegschminken: Das Thema lag jahrzehntelang auf dem Tisch und wir hätten es schon längst aus eigener Kraft entschärfen können. Man zog es vor, zu profitieren, bis der Druck zu hoch wird.

Wagenburg: Wer ist hier bürokratisch?

In einem Kommentar kritisiert die Neue LZ die grüne Forderung, im Zusammenhang mit der Revision des städtischen Bau- und Zonenreglements die Frage grundsätzlich zu regeln, wo Menschen in sogenannten Wagenburgen leben könnten. Das sei absurd, koste viel und Bauwagen würden nicht zur Attraktivierung des Stadtbildes beitragen.

Abgesehen davon, dass der Kommentar etwas gar bünzlig daherkommt, zäumt er die Geschichte am falschen Ende auf: Es waren diverse Gemeinden und insbesondere die Stadt Luzern, die partout keine Wagenburg auf ihrem Gelände wollten, so auch im Schlund auf Boden, der der Stadt Luzern gehört. Unbürokratisch und am günstigsten wäre gewesen, wenn die Stadt einfach ein Auge zugedrückt hätte und die Wagenburg hätte Wagenburg sein lassen. Das Thema hätte kaum noch jemanden interessiert und das begrenzte Interesse an „experimentellen Wohnen“  hätte die Wagenburg auch nicht zu einem Massenphänomen anwachsen lassen. Aber Baudirektor Kurt Bieder wollte es anders.

Deshalb ist es nicht mehr als richtig, dass die Frage rechtlich geregelt wird und Menschen, die eine andere Lebens- und Wohnform wählen, dies auch tun können.

Alexander Wilis Rücktritt ist symptomatisch

Alexander Wili, Präsident der Kommission für Interkommunale Zusammenarbeit des Einwohenrrates, hat sein Amt niedergelegt. Die Gründe sind in der Mitteilung der Gemeinde nicht genannt und man darf spekulieren.

Merkwürdig ist der Rücktritt nach dem Gerangel um das Präsidium und der falsch abgelaufenen Wahl, an der es gemäss FDP aber nichts zu rütteln gegeben habe. Merkwürdig ist der Rücktritt auch, weil doch die Kommission Wilis Idee war und sein Herzblut dem Anschein nach drin steckte.

Aber vielleicht ist der Rücktritt auch symptomatisch. Die ganze Region diskutiert, ob sie gemeinsam abklären will, in welcher Form sie in Zukunft funktionieren soll. Das Krienser Extrazügli mit einer Spezialkommission, die parallel dazu eingesetzt wurde, leuchtete niemanden von aussen ein, hing in der Luft und war in diesem Sinn ziellos. Vielleicht hat das ja Alexander Wili gemerkt. Und vielleicht muss sich auch der Einwohnerrat überlegen, wozu diese Kommission überhaupt dient, oder ob sie mit dem Präsidenten zusammen zurücktreten soll.

SBB: Wer ist an den Verspätungen schuld

Der Kanton Luzern will, dass die SBB für nicht erbrachte Leistungen bezahlen müssen, sprich, wenn die Züge zu häufig Verspätung haben. Dieses Bonus-Malus-System mag ja trendig sein und ist insofern richtig, dass abgemachte und bezahlte Leistungen auch eingehalten werden müssen.

Aber: Das Schienennetz rund um Luzern ist überlastet. Will man ein System, das auch etwas bringt, so müssen die Bussen für die Verspätungen hoch sein. Es fragt sich, ob die SBB bei einem weiteren Ausbau der S-Bahnleistung noch mitmachen wird, wenn sich an der Hardware nichts ändert, denn weitere Verspätungen wären vorprogrammiert.

Der Kanton Luzern muss jetzt möglichst rasch die Planung für einen Ausbau in Angriff nehmen. Die Antworten auf Vorstösse von Margrit Steinhauser im Kantonsrat zeigen aber, dass ausser einigen Grundsatzüberlegungen nichts vorhanden ist, insbesondere keine Finanzierungspläne. Es eilt aber genau hier.

Vermummungsverbote – wo endet das noch alles?

Der Kanton Appenzell Ausserhoden hat heute ein Vermummungsverbot für Demonstrierende eingeführt. Wie jedermann weiss, ist ja dieser Kanton ein beliebtes Demonstrantenmekka, die seit Jahren stattfindende Montagsdemo in Herisau für die Zulassung der anarchistischen Strickereigewerkschaft ist in Appenzell genau so bekannt wie die fast täglich sich formierenden Demos in Hundwil für das Verbot auswärtigen Käses. Auch gesamtschweizerische Gruppierungen halten ihre Demonstrationen immer öfters in Urnäsch, Walzenhausen oder Schwellbrung ab, da das Appenzellerland so viel zu bieten hat.

Soll ein solchesVerbot vielleicht präventive Wirkung haben?

Das Obwaldner Verständnis von Zusammenarbeit

Die ObwaldnerInnen haben es abgelehnt, dass sich ihr Kanton an Luzerner Kulturhäuser Beiträge bezahlt.
So ist es nicht wirklich schwierig, die radikale Steuersenkungsstrategie, die der Kanton eingeschlagen hat, weiterzuführen. Reiche, die nach Obwalden kommen, schätzen sicher auch das Luzerner Kulturangebot und werden es wohl sogar überproportional oft in Anspruch nehmen. Die Zentrumslasten bleiben dann beim Kanton Luzern, Obwalden profitiert von der guten Infrastruktur.

Vielleicht wäre es an der Zeit, für ein kleines Zeichen. Zum Beispiel andere Tarife im Luzerner Theater für ObwaldnerInnen. Man könnte ja den abgelehnten Beitrag so wieder hereinzuspielen versuchen.

Ein Land der RechtsanwältInnen

In einem Vorstoss bemängelt Dieter Hässig (FDP), dass zu viele Einsprachen zu viele Bauvorhaben verzögern, er fordert unter anderem, dass nur noch „lizenzierte Rechtsanwälte“ Einsprachen machen dürften. Abgesehen davon, dass er mit seinem Vorstoss vor allem sein eigenes Einfamilienhausklientel trifft (viel Spass bei den Diskussionen!) ist es nicht so gescheit, wenn alle zu Rechtsanwälten rennen müssen, um sich vertreten zu lassen. Letztlich ist dies ja nur eine Massnahme, damit es weniger Einsprachen gibt, denn wer kann sich das schon leisten? Es ist ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtssystems, dass weitestgehend in allen Bereichen jedeR selber Einsprachen machen kann und in einem zweiten Schritt auch vor Gericht für sein Anliegen kämpfen kann. Hat sich die FDP tatsächlich überlegt, was eine solche Forderung für Folgen hätte?

PS: Wie wärs in einem zweiten Schritt mit einer Einführung von „lizenzierten Politiker“ zur Vermeidung von unnützen politischen Vorstössen?