Abendländische Kultur und Zwangsheiraten

CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger wird heute in Zeitungen zitiert: „Zwangsheiraten sind mit unserer abendländischen Kultur absolut unvereinbar.“ Deshalb fordert er härtere Strafen,

Aber bitte sehr: Wer hat denn während Jahrhunderten hier Menschen zu Ehen verpflichtet, wenn nicht gerade diese abendländische Kultur? Unehelich Schwangere mussten heiraten, um nicht verstossen zu werden, anderen Heiratsunwilligen wurde mit der Enterbung gedroht, egal ob adelig oder in Bauernschichten. Und wehe, man hat den oder die Falsche mit nach Hause gebracht – viele ältere Menschen können heute noch davon erzählen. Ehen waren nicht möglich aus ökonomischen und politischen und natürlich auch religiösen Gründen. Und vielen war die Ehe schlicht verboten, da sie zu wenig verdienten. Solche Eheverbote fanden teilweise sogar Niederschlag in der Gesetzgebung. Erste Aufpasserin und Einmischerin war dabei stets die katholische Kirche. Von wegen abendländische Kultur der freien Partnerwahl.

Die freie Wahl des Lebenspartners, der Lebenspartnerin ist eine Errungenschaft der modernen Zeit, der Zivilgesellschaft. Dagegen haben sich ausgerechnet die Vorgängerformationen der CVP gewehrt. Schön, dass sie dies überwunden hat, aber vielleicht würde es ihr gut anstehen, jetzt nicht zu laut zu heulen.

Bussen: Huch, da kommt Stimmung auf

Heute in der Luzerner Zeitung, zum x-ten Mal die gleiche Debatte. Auf die Erhöhung des Bussenbudgets dürfen rundum die Autoverbände und Bürgerlichen bis hin zu den Grünliberalen ihr Entsetzen zum Ausdruck bringen – immerhin hat sich die CVP ausgenommen. Die ganze Folklore wurde wieder vorgeführt, das sei Fiskalpolitik, eine Erhöhung um 20 Prozent sei stossend, das Ganze diene gar nicht der Verkehrssicherheit etc etc. Das Entsetzen ist in diesem Bereich schnell einmal grenzenlos.
Komisch nur, Bussen gibts ja nur, wenn sich Leute nicht regelkonform verhalten. Weshalb dieser Aufschrei auf bürgerlicher Seite? Man stelle sich nur einmal vor, man würde in anderen Bereichen nicht regelkonformes Verhalten derart in Schutz nehmen. Dort ist doch auch dann auch egal, ob eine Strafe tatsächlich mehr Sicherheit schafft, ob sie verhältnismässig ist oder ob man auch mal ein Auge zudrücken könnte. Durchgreifen, Grenzen setzen, Rechtsstaat durchsetzen und ähnlich heissen dann die Parolen.