CVP-Eheinitiative: Das Einzelbeispiel führt eben oft auf Abwege

Natürlich  – als Schwuler ärgere ich mich über die CVP-Heiratsinitiative. Sie definiert in der Verfassung die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau und sorgt damit, dass ein konservatives Gesellschaftsbild in der Verfassung verankert wird.  Sie torpediert damit die gesellschaftliche Öffnung, die glücklicherweise längst im Gang ist.

Mehr noch – ehrlich gesagt – ärgere ich mich aber über das Wehklagen der CVP über eine sogenannte Heiratsstrafe. Die Geschicht ist kurz erzählt. Heiraten zwei, so werden ihre Einkommen bei den Steuern zusammengezählt, sie rutschen in eine höhere Progression und zahlen deshalb mehr Steuern, als sie als Einzelpersonen zahlen würden.

Eine schöne Geschichte für einen politischen Vorstoss, aber sie hat einen kleinen Haken In den meisten Fällen ist sie schlicht falsch. Das heutige Steuermodell sieht ja nicht nur vor, dass die Einkommen von Verheirateten zusammengezählt werden, sondern dass für Ehepaare ein tieferer Steueransatz gilt als für Einzelpersonen. Will heissen: In den meisten Fällen zahlen am Schluss zwei Verheiratete weniger Steuern als wenn sie einzeln besteuert würden. Dies trifft immer zu, wenn nur einer der beiden Ehepartner ein Erwerbseinkommen hat und es trifft meistens zu, wenn ein Ehepartner ein bedeutend tieferes Einkommen hat als der andere. Nur wenn sie zusammen ein sehr hohes Einkommen haben, kann es sein, dass sie höhere Steuern bezahlen.

Von dieser sogenannten Ehestrafe sind heute noch 80’000 Paare betroffen. Die anderen 1.2 Millionen Ehepaare sind nicht benachteiligt, sondern profitieren von den heutigen Steuerregeln.

Mich erinnert das stark an die Diskussionen um die Besteuerung des Wohneigentums. Da werden auch immer Einzelfälle zitiert, die wohl stimmen und für die Betroffenen unschön bis tragisch sein können. Die Stimmbevölkerung hat aber bei neuen Steuererleichterungen bei der Wohneigentumsbesteuerung in den letzten Jahren Mass gehalten. Denn sie hat auch dort gesehen: In den allermeisten Fällen ist die steuerliche Belastung schon heute sehr moderat und es gibt keinen Grund für weitere Erleichterungen, die dann die Allgemeinheit berappern muss.

In diesem Sinne hoffe ich, dass auch bei der CVP-Initiative am Schluss der Blick fürs Ganze siegen wird.

Der Rechtsstaat gilt – und braucht die entsprechenden Mittel

Was in Köln und in anderen Städten an Silvester geschehen ist, schockiert. Und verunsichert. Wir haben Werte des Zusammenlebens und wir haben Anstandsregeln, die weit vor dem strafrechtlich Relevanten gelten und greifen müssen.

Nie hat jemand behauptet, dass Integration ein Sonntagsspaziergang ist und ohne Reibungen und Enttäuschungen möglich ist. Die kulturelle Anpassung ist nicht so schnell erlernt und braucht von beiden Seiten Geduld.

Aber natürlich – es braucht nicht nur Geduld. Wir haben einen strafrechtlichen Katalog an Vergehen, der für alle Anwesenden gleichermassen gilt.  Ihn durchzusetzen ist Aufgabe des Rechtsstaates und dazu muss er mit den nötigen Mitteln ausgestattet sein.

Und weiter brauchen wir eine Integrationspolitik, die früh beginnt und die Menschen eng begleitet. Was im Zusammenhang mit unsere Asylpolitik, aber auch Sozial- und Bildungspolitik als Asyl-, Sozial- oder Sonderpädagogigkindustrie schlecht geredet wird, sind Massnahmen und Engagements, welche Menschen in unsere Gesellschaft integrieren sollen. Dazu gehört auch, unser Wertesystem einzuhalten.

Dank diesem Einsatz, und das muss man auch sagen: dank unserem Reichtum, haben wir in der Schweiz keine Banlieues und verschiedene Generationen von ImmigrantInnen relativ erfolgreich aufgenommen. Die Erinnerung an die 90er Jahre mit Hunderttausenden, die aus dem Balkan bei uns Zuflucht suchten, ist noch frisch. Auch das war wahrhaft keine einfache Übung, aber sie ist zu einem rechten Teil geglückt.

Unser Kanton macht sich aber in letzter Zeit in eine andere Richtung auf. Bei Asylzentren wird verstärkt auf Kontrolle und Bewachung gesetzt und die Betreuung der Menschen heruntergefahren. Kurzfristig mag das aufgehen, mittelfristig wird sich die Verlagerung rächen, denn die Einhaltung von Vorschriften lässt sich in einem liberalen Staat nicht nur repressiv aufrechterhalten, dazu braucht es auch das Mitmachen und Verständnis der Menschen. Und um dies zu erreichen, brauchen wir die ganze oben erwähnte „Industrie“.