Steuerhöhungen gibts nicht im Schlafwagenabteil

Ein sehr klares Nein zu höheren Musikschulgebühren und ebenfalls ein Nein zur Steuererhöhung: Das Signal der Luzerner Bevölkerung ist nicht einfach zu lesen. Aber ein paar Hypothesen sind möglich:

  1. Die Bevölkerung will einen guten Service public und kantonale Leistungen. Kürzungen, die Familien, Schulen und breite Kreise treffen, werden nicht geschluckt. Die bürgerliche Mehrheit kann froh sein, konnte sie so viele Abbaumassnahmen an der Stimmbevölkerung vorbei entscheiden. Sonst hätte es noch mehr nein gegeben.
  2. Die BefürworterInnen der Steuererhöhung haben das Feld den Gegnern überlassen. Die Linken, weil sie eigentlich eine andere Steuerpolitik wollten, die CVP und FDP weil es ihnen peinlich ist, eine Steuererhöhung vertreten zu müssen. Aber eine Steuererhöhung ist in einer Volksabstimmung nie ein Selbstläufer. Ich hatte im Dezember verschiedene bürgerliche ExponentInnen darauf angesprochen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie Lust auf eine offensive Kampagne hatten.
  3. Auch die Regierung war im Gegensatz zu anderen Abstimmungen sehr zurückhaltend. Keine Auftritte (oder habe ich sie verpasst?), kein Engagement, kein Wille, deutlicher die Folgen eines Neins darzustellen. Die Regierung liess es darauf ankommen.
  4. Das Nein der Gewerkschaften war nicht ausschlaggebend in der Öffentlichkeit, aber es hatte seine Wirkung: Es hat die Wutstimmung bedient und es Linken ermöglicht, die Steuerabstimmung zu einer Denkzettelabstimmung gegen die Steuerpolitik des Kantons zu benützen. Wirkung: Ziemlich boomerangmässig.
  5. Das Nein ist buntgescheckt. Eher linke Gemeinden haben weniger Zustimmung als bürgerlich dominierte. Ländliche Gemeinden nehmen an, Agglomerationsgemeinden lehnen ab und dies alles auch umgekehrt. So unleserlich das Resultat, so verschieden waren die Argumente für ein Nein. Es hinterlässt vor allem eins: Ratlosigkeit.

Manchmal ist es nicht das Dümmste, wenn man die Ratlosigkeit zugeben kann und nicht gleich in Hektik verfällt. Die Grünen haben im letzten Dezember einen Vorstoss für eine Generaldebatte zur Zukunft des Kantons eingereicht. Diese Diskussion braucht es jetzt. Wir müssen über Inhalte und über die Finanzen reden und jetzt nicht, wie wenn nichts geschehen wäre, im Juni über eine Schuldenbremse und ein Finanzleitbild reden, das bereits überholt ist.

Inhalte her

Im letzten Dezember hat die Grüne Fraktion mit einem Vorstoss verlangt, dass der Kantonsrat nach all den Irrungen und Wirrungen um die Finanzen endlich eine Grundsatzdebatte führt, wohin dieser Kanton soll. Wie will er sich positionieren? Was sind seine strategischen Ziele, welche Dienstleistungen soll er erbringen? Die vorhandenen Planungspapiere sind kaum noch etwas wert und wir brauchen eine Neuausrichtung oder mindestens: Eine klare Nachjustierung.

Der Vorstoss wurde noch nicht einmal behandelt. Dafür liegt ein neues Finanzleitbild vor. Mit vielen schönen oder auch nicht so schönen Worten, aber jedenfalls ohne Angebots- und Leistungsdiskussion. Der Leser erfährt einzig: Der Regierungsrat akzeptiert nur in drei Bereichen Mehrausgaben: Volksschulbildung, Polizei, Gesundheit. Alles andere soll stagnieren oder noch weniger Geld zur Verfügung haben. Schleierhaft, wie da zum Beispiel der öV gemäss Planungsberichten ausgebaut werden soll, der Bildungsstandort Luzern gestärkt werden soll oder nur schon das minimale heutige Niveau im Sozialbereich gehalten wird.

Aber darüber wird beim Finanzleitbild kaum diskutiert, sondern im Vordergrund stehen, Finanzen, Steuern, Steuern und Finanzen. Diskutiert der Kantonsrat im Juni das Finanzleitbild und die neue Schuldenbremse ohne diese Diskussion mit den Inhalten und den Leistungen zu verknüpfen, so vergibt er eine Chance. Aber leider: Es wäre nicht zum ersten Mal.

Wider besseren Wissens

Nichts ist dagegen einzuwenden, dass die LZ auf eine Parole zur Steuererhöhung verzichtet, sondern zwei Redaktoren zum Pro und Kontra antreten lassen. Und Lukas Nussbaumer ist ein gescheiter Kopf, der quer und unabhängig denken kann. Heute aber hat er in seinem Kontra-Standpunkt etwas dick aufgetragen, und auch er machts wie andere in der kantonalen Finanzdebatte: Er spricht von Strategien, aber nicht vom Konkreten. Wie es die SVP macht. Dazu verwendet er Begriffe wie „Classe politique“ und spricht von plumper Angstmacherei für den Fall einer Ablehnung der Steuererhöhung.

Die Redaktoren der LZ sitzen bei der jeder Kantonsratsdebatte auf der Tribüne: Sie kennen die Luzerner Politik. Und wenn einer von ihnen die Steuererhöhung ablehnt, so müsste er der Redlichkeit halber auch aufzeigen, wo er denn weitere 60 Millionen Franken einsparen will. Tut er aber nicht. Ich behaupte: Logo, denn auch er wüsste nicht wo. Dazu stellt er nochmals ein Vergleich von Luzern mit den benachbarten Kantonen an: Der Kanton Luzern habe in den meisten Steuerkategorien die rote Laterne. Logo, kann ich da nochmals sagen, wenn man zufälligerweise die drei steuertiefsten Kantone als Nachbarn hat, dann kann es schon mal passieren, dass ein Kanton mit Zentrumslasten und höheren sozialen Aufgaben in einem Vergleich nicht aufs Podest kommt.

Die Abbauprogramme der letzten Jahre, die Erhöhungen bei den Gebühren (Musikschule, Schulen, Hochschulen, Einführung einer Altlastensanierungsgebühr für jedermann, höhere Billettpreise), die Erhöhung der Arbeitszeit für die Angestellten und LehrerInnen auf unrühmliche Schweizer Spitzenwerte, die massive Einschränkung des Bezügerkreises für Prämienverbilligung, der Investitionsstau bei den öffentlichen Gebäuden, all das sind keine plumpe Angstmacherei, sondern Luzerner Alltag. Es braucht nicht dermassen viel Fantasie, um die Auswirkungen von jährlich fehlenden 60 Millionen Franken hochzurechnen.

Wer eine Steuererhöhung ablehnt, nimmt in Kauf, dass unser Kanton weiter in der Abwärtsspirale hängen bleibt und noch die eine oder andere rote Laterne in die Hand bekommt.

 

 

Fragwürdige Vergleiche – die LZ wüsste es besser

Die Luzerner Zeitung versuchte mit einem willkürlichen Vergleich zwischen einzelnen Kantone die Steuererhöhung in Frage zu stellen. Natürlich ist es Aufgabe einer Zeitung, Abstimmungsdebatten kontrovers zu führen und gute Themen aufzunehmen. Unverständlich aber ist es, wenn SVP und einzelne Gewerbler auf einer ganzen Seite ihre eigenen Zahlenvergleiche darstellen können. Da wird Luzern mit acht anderen Kantonen verglichen, unter denen zufälligerweise die Tiefststeuerkantone Zug, Nidwalden und Schwyz sind, dafür fehlt ein Vergleich mit allen Schweizerkantonen. Gleichzeitig wird im Titel behauptet, dass andere Verwaltungen günstiger arbeiten, aber die Tabelle dazu sagt das Gegenteil: Ausser Nidwalden geben alle Nachbarkantone mehr Geld aus, wenn man die Ausgaben von der Kantone mit den Gemeinden zusammenzählt.  

Lassen wir uns nicht verwirren: Der Kanton Luzern arbeitet längst sehr kostengünstig – da ist keine Luft mehr drin. Obwohl die Bevölkerung jedes Jahr zunimmt, ist die Zahl der Angestellten in vielen Abteilungen seit zehn Jahren nicht mehr angestiegen.  Der Kanton hat neue Aufgaben übernommen, wie in der Spitalfinanzierung. Dazu kommen Investitionen in die Bildung, die stets von allen Seiten gefordert werden.  Dies muss finanziert werden und dazu braucht es die Steuererhöhung.

Klar ist: Wird die Steuererhöhung abgelehnt, droht unserem Kanton weitere Kürzungen und Abbaupakete. Die Kosten werden weiter verlagert – statt den Steuern steigen Gebühren und Schulgelder. Das mag im Interesse der rechtsbürgerlichen Gegner der Steuererhöhung sein, aber die grosse Mehrheit der Bevölkerung kommt dies letztlich teuer zu stehen.