Schulterschluss und Fesseln

Heute war die Schuldenbremse und das dazugehörige Gesetz dran. Mein Eindruck: Nach dem 21. Mai führt die Orientierungslosigkeit dazu, dass zuerst alle auf alte Positionen zurückkehrten. Die bürgerlichen Parteien beschworen sogar den bürgerlichen Schulterschluss und tasteten während der Debatte ab, wo dieser liegen könnte.

Umso häufiger über den bürgerlichen Schulterschluss besprochen wurde, desto grössere Zweifel kommen einem: Wäre er eine Selbstverständlichkeit, so müsste er nicht ständig bemüht werden. Hier wird also etwas gekittet, was anscheinend grössere Risse aufweist.

Man fragt sich aber auch: Wohin soll dieser Schulterschluss führen? Auch der Erfolg der Steuerstrategie wurde mehrmals angerufen. Je ärger die finanzielle Situation wird, desto stärker binden sich die bürgerlichen Parteien aneinander und die CVP fürchtet eine eigenständige Position. Verständlich, dass sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, nicht mehr  bürgerlich zu sein. Aber viel Anspruch auf Gestaltung und Führerschaft bedeutet das nicht.

Und vor allem: Wenn man sich derart aneinander bindet, muss man sich auch nicht fragen, wenn man dann miteinander stolpert.

Gib uns unsere tägliche Finanzdebatte: Neues zum Finanzleidbild.

Gestern diskutierte der Kantonsrat das Finanzleitbild. Die bürgerliche Mehrheit hat sich eisern an die Devise gehalten, dass die Steuerstrategie etwas schon sehr erfolgreiches in unserem Kanton sei. Gut, es dauere etwas länger als erwartet, aber sie haben Geduld: Mindestens bis zu den nächsten Wahlen. Wie unser Finanzkrater zu füllen ist, dazu hat der Kantonsrat wenig Handlungsanleitung gegeben. Lieber hat er das Leitbild noch verschärft und mit Durchhalteparolen ergänzt. Wie etwa diese: „Die Ziele der Steuerbelastung im nationalen Vergleich erreichen wir durch überdurchschnittliche Effizienz der Leistungserbringung und mit der konsequenten und permanenten Überprüfung des Leistungsangebotes.“ Nach vier Abbauprojekten in den letzten fünf Jahren haben wir glaub ich jeden Stein in diesem Kanton umgedreht und was die Effizienz angeht, so sind wir schon längst auf höchstem Niveau: 15 günstiger als das schweizerische Mittel der Kantone, mehrere Prozente günstiger als vergleichbare Kantone wie Aargau, Solothurn oder St. Gallen. Leider müssen wir in den nächsten Jahren nicht einfach gut sein oder unsere Position halten, sondern wir sind mit einem Defizit von Hunderten von Millionen Franken konfrontiert. Mit der Anrufung der Effizienz ist es da nicht mehr gemacht.

Wenn sich eine Truppe im Wald verlaufen hat, es Nacht wird, dann kann man noch eine Weile weitergehen und dabei trotzig und laut die altbekannten Wanderlieder singen. Früher oder eben später ist es dann trotzdem Zeit, sich einmal neu zu orientieren und den Weg wieder zu suchen.

Hinsetzen, durchatmen und Reset-Knopf drücken

Erinnern Sie sich: Vor einem Jahr diskutierte  Luzern über die schlanke Buchstaben- und Zahlenkombination KP 17. Vorher hiessen die Dinger Leistungen- und Strukturen eins und zwei. Nächste Woche diskutiert der Kantonsrat über Begriffe wie FLB und FLG – da geht’s um die Schuldenbremse und um die finanziellen Vorgaben für den Kanton, weiter über die Rechnung und ab September geht’s dann in zwei Budgetrunden – einer für dieses Jahr und eine fürs nächste Jahr. Nach dem Nein zur Steuererhöhung dreht das Karussel noch schneller und es ist völlig verständlich, wenn sowohl jene auf dem Karussel wie jene, die zuschauen, den Kopf wegdrehen und denken: Das ist ja nicht zum Aushalten. Jedes Jahr und bald jeden Monat: Irgendwie das gleiche.

Vielleicht war das Nein zur Steuererhöhung ein Betriebsunfall, weil sich keine Partei mit einer grösseren Kampagne dafür einsetzte, vielleicht war es aber auch Resultat einer grundsätzlichen Verwirrung. Höhere Steuern, weniger Leistungen und das alles bei einer anscheinend funktionierenden Steuerstrategie – das kann leichte Konfusion und Kopfschütteln auslösen.

Absteigen bevors zu spät ist

Nun denn, wenn die Musik und das Karussell immer schneller drehen, wäre es nicht dumm, das Ding einmal abzuschalten. Und abzusteigen. Und sich hinzusetzen. Man muss sich ja dann nicht grad die Hand geben und eine Selbsterfahrungsgruppe bilden, aber aus diesem Trott heraustreten und sich ein paar grundsätzliche Fragen zu stellen, das wäre jetzt angesagt.

Die Grünen haben im Dezember dazu einen Vorstoss eingereicht. In einem Planungsbericht zur Zukunft des Kantons sollen die grossen Pflöcke eingeschlagen werden und wieder über die Leistungen diskutiert werden, statt immer nur übers Geld. Wie will sich unser Kanton positionieren? Welche Leistungen brauchts? Auf welchem Niveau? Ohne Strategie für den Kanton können und sollen wir die Finanzdiskussion jetzt nicht weiterführen.

Auch andere Beteiligte haben diesen Prozess in ähnlicher Form gefordert, wie etwa der  Gewerbeverband und aktuell SP-Kantonsrat Jörg Meyer in einem Vorstoss. Der Regierungsrat hat zwar auch schon Gesprächsrunden eingeladen, doch diese Gruppen waren immer unter grossem Zeitdruck und mussten teilweise innert zwei Sitzungen Resultate liefern. Wer schon einmal mit Gruppen arbeitete weiss: Das braucht ein bitzeli mehr Zeit.

Kein Grund zur Eile

Logo, diese Übung braucht Zeit und bringt keine Resultate und Vorschläge vor 2018. Es gibt auch wenig Grund zur ständigen Hetze: Der Kanton Luzern hat heute sehr wenig Schulden und die Zinsen sind derart tief, dass eine Neuverschuldung nicht weh tut. Der Moment ist also gar nicht schlecht, einmal innezuhalten, das Staccato von Sparen, Abbauen und neuen Budgets zu unterbrechen.

Dann können wir wieder auf Start drücken uns auch anderen Themen zuwenden – auch der Blogger wäre froh, wenn bei Abgabetermin der Kolumne seine Gedanken nicht stets zur Finanzpolitik führten.

Die Gruselliste für nachher

Vor der Abstimmung zur Steuererhöhung haben mehrere Parteien – auch wir Grünen – den Regierungsrat aufgefordert, Klartext zu reden und die Auswirkungen einer Ablehnung aufzuzeigen. Und das bitte etwas konkret und nicht nur mit globalen Sprüchen von harten Einschnitten und so. Der Regierungsrat weigerte sich – er habe keinen Plan B und wollte nicht konkreter werden. Auch deshalb wurde vor der Abstimmung zu wenig über die Auswirkungen eines Neins gesprochen. Luzern oder Kriens haben in der Vergangenheit gezeigt, dass mit klaren Aussagen zu möglichen Abbaumassnahmen und Kürzungen eine Steuererhöhung gewonnen werden kann.

Heute ist nun diese Gruselliste auf den Tisch gekommen. Kürzungen bei der Prämienverbilligung, bei den Stipendien, im Asyl- und Flüchtlingswesen, bei der Psychiatrie, bei energetischen Förderprogrammen und bei den Bibliotheken sind da drauf. Fürs 2018 geht es so weiter und zusätzlich gibts Abbau bei der Polizei, Kultur, Bildung und Gesundheit. Hätte man diese Liste vor dem 21. Mai gehabt – die Abstimmung hätte anders ausgehen können. Man darf sich die Frage stellen: War es dem einen oder anderen Regierungsrat von Anfang an lieber, die Liste erst jetzt zu präsentieren?

In all diesen Bereichen haben wir bereits einmal, zum Teil mehrmals aufeinander Gelder gestrichen. Die Liste zeigt nur eines deutlich: Ohne Mehreinnahmen geht es nimmer. Die Grünen haben die Forderung nach einer Steuergesetzrevision deponiert. Wer macht mit?