Den Champagner trinken andere

Bezahlbarer Champagner im Restaurant? Mit diesem Spruch konterte gestern NZZ-Redaktor Lucien Scherrer die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen». Was beim ersten Lesen ein halbgegorenes Wortspiel ist, trifft doch genau den Kern der Sache.

Tatsächlich – die Forderung ist abstrus, schliesslich kann ich auf Sekt oder Weisswein umsteigen, den Champagner zu Hause trinken oder halt einmal abstinent sein. Beim Wohnen ist das wohl etwas anders: Wohnen ist ein Grundbedürfnis und die Wohnkosten sind der grösste Ausgabenposten der Haushalte. Genau dies rechtfertigt, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zum Champagner beim Wohnen lenkend eingreift.

Das stösst der NZZ sauer auf. Sie hat aufgedeckt, dass in Zürich auch Stadtparlamentarier in Genossenschaftswohnungen leben. Welche Überraschung! Dort gehören glücklicherweise knapp 30 Prozent der Mietwohnungen gemeinnützigen Wohnbauträgern.   Falsch ist auch die in der NZZ oft kolportierte Behauptung, in den Genossenschaften wohnten hauptsächlich gutverdienende hippe Leute. In Tat und Wahrheit haben Mieter in Genossenschaften das tiefere Bildungsniveau als Personen in anderen Mietwohnungen oder gar im Wohneigentum und damit auch ein tieferes Einkommen. Weiter wird moniert, der Ausländeranteil sei oft tief. Dabei zeigen die vorhandenen Zahlen, dass der Ausländeranteil in Genossenschaftswohnungen durchschnittlich ist, unter den Ausländer aber wiederum jene übervertreten sind, die weniger begütert sind. Der Pro-Kopf-Bedarf an Wohnfläche in Genossenschaftswohnungen ist bedeutend tiefer als in anderen Mietwohnungen. Kein Wunder: Es bestehen oft Belegungsvorschriften.

Das Schlechtreden der Genossenschaften wird nicht gelingen. Viele Menschen schätzen den gemeinnützigen Wohnungsbau, weil er preiswerte Wohnungen schafft, meistens auf anständige Art und Weise Sanierungen durchführt und den Bewohnerinnen und Bewohner eine Mitsprache ermöglicht. Damit schaffen Wohnbaugenossenschaften, Stiftungen oder Gemeinden Identität und Lebensqualität, wie es auch Wohneigentümer suchen.

PS: Momentan trinken auf dem Wohnungsmarkt nicht die Mietenden den Champagner, sondern andere dank Durchschnittsrenditen von 5 bis 6 Prozent.

 

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