Wer möchte auf diesen Plätzen wieder Autos statt Stadtleben?

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann das Auto das Bild und das Leben vieler Orte und Menschen zu prägen. Die Zahl der Autos nahm rasant zu, neue Strassen wurden gebaut und viele Flächen wurden zu Autoparkplätzen. Wo früher Märkte waren, Leben stattfand, stand jetzt ein Auto neben dem andern oder sie fuhren selbst durch enge Altstadtgassen.

Anfang der 70er Jahre wuchs der Unwillen gegen diese Verschandelung der Städte. In Luzern war zum Beispiel selbst der Weinmarkt ein Parkplatz. 15’000 Personen hatten 1972 eine autofreie Altstadt gefordert und 1973 schloss sich die City-Vereinigung dem Anliegen an. Auf Antrag der Stadt erliess dann der Regierungsrat auf weiten Strecken in der Altstadt ein Fahrverbot. Ausnahmebewilligungen und einzelne Parkplätze gaben aber weiter zu reden. Aber:

Wer kann sich heute vorstellen, dass der Weinmarkt ausser für den Umschlag von Waren als Parkplatz dienen könnte? Wer möchte diesen Zustand zurück? Das Flanieren durch die Altstadt ohne ständige Gefahr einer Kollision mit einem Auto ist ein grosser Pluspunkt, Restaurants bedienen draussen. Es ist eine völlige Selbstverständlichkeit, auch wenn es auf anderen Plätzen noch viel länger ging.

 

Vielen ist noch lebhaft die lange Diskussion um den Mühlenplatz in Erinnerung. Dieser wurde erst 2008 autofrei, auch damals gab es Widerstand vom Gewerbe, doch dieses war nach Einführung sehr zufrieden, der Mühlenplatz sei einer der schönsten von Luzern 

Es brauchte zuerst einen Versuchsbetrieb während einiger Sommer, wie oft ging es lange, doch nach der Aufhebung der Parkplätze auf dem Mühlenplatz konnten mehrere Restaurants den Aussenplatz nutzen, er ist ein beliebter Treffpunkt, es gibt weiterhin kleinere Läden und wenn nötig, kann auch ein Auto parkieren, wie es in der ganzen Altstadt der Fall ist. Wieder die Frage: Wer möchte die Zeit zurückdrehen und vermisst die Parkplätze auf dem Mühlenplatz?

Das gleiche gilt für den Kapellplatz, der früher auch als Parkplatz diente, auf dem Bild hier schon etwas umgestaltet, aber die Blumenkisten verbesserten die Nutzbarkeit des Platzes auch nicht wirklich.

Aber nicht nur die Altstadt wurde autofrei, mehrere Plätze in der Stadt Luzern sind heute angenehme Aufenthaltsorte, waren aber vor 20, 30 oder mehr Jahren von Strassen durchschnitten oder eben von Autos überstellt. Hier ein Plan des Helvetiagärtlis vor der Umgestaltung. Die Waldstätterstrasse ist durchgehend befahrbar. Wo heute verschiedene Bars und Restaurant wirten und ein Kleinod entstanden ist, war schlicht eine Strassenfläche.

Auch vor dem Bourbaki ist eine Freifläche entstanden, die zuvor als Parkplatz diente und verschiedene Strassen wurden etwa im Bruchquartier umgestaltet. Es gibt heute mehr Bäume, etwas weniger Parkplätze auf offener Strasse und jetzt neu im Hirschmattquartier Versuche, die Parkplätze anders und effektiver zu nutzen.

Das entspricht auch der ursprünglichen Planung der Quartiere rund um die Altstadt: Sie wurden in einer Zeit geplant und grösstenteils gebaut, als es noch keine Autos gab. Diese Quartiere sind tatsächlich dicht, aber der Eindruck des Strassenraums ist durch die vielen Parkplätzen und die Dominanz des Autoverkehrs geprägt. Etwas weniger verstellt, sehen diese Strassen viel grosszügiger aus, wie hier die Hirschmattstrasse selber.

Und majestätische Gebäude kommen besser zur Geltung, wenn sie nicht vom Verkehr verschluckt werden und nicht nur in der Altstadt ihre Schönheit entfalten, wie hier an der Ecke Hirschmatt-Pilatusstrasse. Natürlich können diese Flächen nicht mehr völlig freigespielt werden, die Bevölkerung ist massiv gewachsen, die Bedürfnisse ebenfalls, doch andere Städte zeigen, dass mit Superblocks in Barcelona, mit Verkehrsberuhigungen in Paris viel drin liegt.

Und Luzern hat sich auch längst auf diesen Weg gemacht. Mit der Initiative der Jungen Grünen für autobefreite Quartiere kann die Stadt diesen Weg rascher und konsequenter gehen. Es wäre ihr vergönnt – und natürlich den Menschen dieser Stadt – wenn dies gelingt, wie es auch das städtische Parlament empfiehlt.

Denn es ist auch klar: Der Weg zu einem Siedlungsraum, der nicht vom Autoverkehr und auch nicht von autobeparkten Aussenraum geprägt ist,  ist keine Einbahnstrasse: Der Widerstand ist da und wird auch auf Bundesebene lauter. Das Bundesparlament schaut den Städten und Gemeinden sehr kritisch auf die Finger und möchte ihnen eine eigenständige Verkehrspolitik erschweren, sei es bei Tempo 30 oder weitergehenden Versuchen. Und beim Kanton stapeln sich die Gesuch für Tempo 30 auf Kantonstrassen. Pro Jahr sollen etwa drei Gesuche abgearbeitet werden. Das geht für viele viel, viel zu lange.

Wer sich in einem immer dichteren Siedlungsraum einer effizienten, platzsparenden Mobilität widersetzt, verpasst es, in der Dichte  Lebensqualität für die Menschen zu schaffen.

Fotos:

Stadtarchiv Luzern: Stadtrat will autofreien Weinmarkt / Lorenz Fischer /  Helvetiaplatz und allgemeine Unterlagen / Hirschmattstrasse / Hirschmattstrasse 44 Habsburgerstrasse 20

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