Massive Verzögerungen, hohe Mehrkosten und ein Angebotskonzept, das nicht realisierbar ist, manchmal könnte man über den Bahnausbau in der Schweiz verzweifeln. Vor fünf oder sechs Jahren waren wir so stolz: Mit dem Bahninfrastrukturfonds sollte das Geld für den Unterhalt und den Ausbau auf lange Frist ausreichen, neue Projekte in Angriff genommen werden und der Modalsplit zu Gunsten der Bahn verändert werden.
Als im Sommer 2022 mit der Vernehmlassung zu den Bahnperspektiven 2050 klar wurde, dass es grobe Verzögerungen und Mehrkosten geben würde, fragte ich hier, ob der Ausbau 35 entgleist sei. Damals gab es Beschwichtigungen. Aber heute wissen wir, dass das Geld niemals reicht um die einst geplanten Massnahmen umzusetzen und dass grundsätzlich neu geplant werden muss, um dieses Angebotskonzept fahren zu können. Bundesrat Rösti hat Ulrich Weidmann den Auftrag erteilt, einen neuen Vorschlag zu erarbeiten. Wir werden in Bälde erfahren, was er vorschlägt und ob es ein weiser Entscheid war, die Liste weiterer Bahnausbauten in externe Hände zu legen.
Die Bevölkerung der Schweiz nimmt weiter zu, gleichzeitig will der Bund mehr Menschen auf den öV bringen und die Städte erst recht. Dazu braucht es jetzt einen klaren Plan, damit diese Verzögerungsmeldungen aufhören und der Ausbau rascher vorangeht.
- Den BIF nachjustieren und die Finanzierung klären.
Die Euphorie über den BIF war verständlich, die Fondslösung erlaubte es, den Bahnausbau aus dem alltäglichen Finanzhickhack herauszuhalten. Ganz ist dies aber doch nicht gelungen. Wir bedienen uns diesem Fonds, um zum Beispiel den Güterverkehr zu fördern oder der Bund plant die Einlagen aus der Schwerverkehrsabgabe um 200 Mio. Franken zu verkleinern, um seine angeblich klammen Finanzen aufzufrischen. Die Konferenz der kantonalen öV Direktoren hat bereits protestiert. Tatsächlich: So geht das nicht. Im Gegenteil – wir müssen darüber sprechen, dass das heute befristete Mehrwertsteuerpromille über 2030 hinaus beibehalten wird wie auch die Mittel aus der Mineralölsteuer. Der Bundesrat äusserte sich in einer Interpellation von Eva Herzog dazu pessimistisch. Er ängstigt sich vor der nötigen Volksabstimmung, doch diese Befürchtungen nehmen wir ihm gerne. Beide Massnahmen ergeben zusätzlich 700 Millionen Franken pro Jahr. Mit diesen zusätzlichen Geldern sieht die Entwicklung für den BIF bedeutend besser aus.
- Die Aggloprogramme stärken
Das grösste Verkehrsproblem haben wir in den Agglomerationen und im Verkehr innerhalb dieser Agglomerationen, die meisten Fahrten sind recht kurz und im Gegensatz zu den innerstädtischen Gebieten und im nationalen Verkehr – hier ist schon ein grosser Teil im öV unterwegs – gibt es ein markantes Umsteigepotenzial vom Auto auf den öV. Wenn wir die Mobilität in diesen dichten Gebieten aufrecht erhalten wollen, braucht es Massnahmen, die mit Aggloprogrammen gefördert werden: Velospuren, Verkehrsleitsysteme, Busbevorzugung oder neue Tramlinien. Die Aggloprogramme werden aus dem Autobahn- und Agglomerationsverkehrsfonds gespiesen. Eine Konsequenz aus dem Nein zum Autobahnausbau muss die längst geforderte Erhöhung des Anteils für die Aggloprogramme sein. Mitspielen müssen allerdings auch die Kantone, die recht unterschiedlich ihre Programme umsetzen und planen.
Meine parlamentarische Initiative mit diesem Inhalt wurde von der nationalrätlichen Verkehrskommission bereits angenommen. Der Ständerat muss sich nun anschliessen. Oder noch besser: Der Bundesrat nimmt das Anliegen gleich selber auf.
- Eine höhere Mitfinanzierung von schienengebundenen Transportmittel
Während der Bahnausbau vollständig aus dem Bahninfrastrukturfonds bezahlt wird – wobei hier die Kantone ebenfalls miteinzahlen – werden Trams oder andere schienengebundene Transportmittel über Aggloprogramme vom Bund mitfinanziert, der höchste Anteil liegt bei 50 Prozent, wobei er einheitlich für das gesamte Programm gilt. Das hat den Sinn, dass die Kantone angehalten sind, möglichst gute Gesamtprojekte einzureichen. Aber es besteht natürlich ein Fehlanreiz: Die Kantone verlangen viel eher einen Bahnausbau als eine Verlängerung einer Tramlinie. Deshalb ist es eine starke Überlegung wert, dass innerhalb der Aggloprogramme solche Projekte einen höheren Beitrag erhalten. Mit einer höheren Gesamtsumme für die Programme müssten andere Teile nicht darunter leiden. Mein Vorstoss dazu wird in einer der nächsten Kommissionssitzungen diskutiert, aber auch hier: Der Bundesrat darf die Idee gerne übernehmen.
- Klärung des Unterhaltsbedarfs
Beim der Diskussion um den letzten Rahmenkredit für den Unterhalt des Bahnnetzes sahen wir eindrucksvoll, wie stark der Bedarf schwanken kann. Der Wiederbeschaffungswert für das ganze Bahnnetz in der Schweiz beträgt stolze 170 Milliarden Franken. Klar, bracht es da auch Milliardenbeträge pro Jahr für den Unterhalt und gemäss Vorgaben hat der Unterhalt vor dem Ausbau Vorrang. Aber ob man pro Jahr davon ausgeht, es brauche statt 1.8 Prozent der Gesamtsumme für den Unterhalt oder 2 Prozent, so sind das bereits 340 Millionen Franken pro Jahr. Wir sollten den Unterhalt nicht vernachlässigen, brauchen aber auch hier eine Diskussion, wie viel nötig ist und wie er auch günstiger möglich sein könnte. Auch in der Schweiz geht man dazu über, vermehrt Linien für kürzere Zeiten zu schliessen um rascher und einfacher arbeiten zu können.
Dazu kommt noch, dass bei der Überprüfung des Angebotskonzepts 2035 von Seiten SBB ganz viele neue Projekte auftauchten, ohne die es nicht gehen soll. Darunter sind zum Beispiel mehrere Bahnhofsausbauten in kleineren Städten. Dabei haben sich die Passagierzahlen etwa so entwickelt, wie sie schon in der Botschaft zum Bahnausbau 2035 dargestellt wurden. Niemand konnte mir bisher erklären, weshalb dann diese Bahnhöfe ausgebaut werden müssen.
Eine hochkomplexe Angelegenheit, aber da es um sehr hohe Summen geht, braucht es auch hier eine enge Begleitung und Aufsicht durch den Bund.
Fazit: So düster, wie die Bahnentwicklung manchmal diskutiert wird, muss sie nicht erfolgen. Aber für einen weiteren Erfolg braucht es diese Massnahmen.
