Noch mehr Grenzkontrollen? Das kann nicht die Antwort sein

Fabian Fellmann kommentiert heute in der Luzerner Zeitung die grässliche Tragödie in Österreich. Schlepper haben einen Lastwagen mit 71 Toten stehen lassen. Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben erstickten.

Fellmanns Fazit: Es braucht mehr Grenzkontrollen, Europa muss auch über Binneneinsätze nachdenken. Richtig: Europa und damit auch die Schweiz müssen viel nachdenken, über eine bessere Verteilung der Lasten und über Solidarität, die Grenzstaaten können die Last nicht alleine tragen und einige Staaten in Osteuropa müssen begreifen, dass auch sie in der Verantwortung sind. Sie haben von den Zahlungen Westeuropas profitiert und können sich in einem vereinigten Europa bei der Flüchtlingsfrage nicht aus der Verantwortung stehlen.

Fatal finde ich aber, wenn die erste Antwort auf Schlepperbanden noch höhere Zäune und noch mehr Kontrollen sein sollen. Schleppertum wird doch erst dann interessant, wenn es nicht mehr möglich ist, auf legalem Weg in ein Land zu reisen. Die vielen Todesfälle im Mittelmeer und die weiteren Katastrophen zeigen auch in aller Deutlichkeit, dass viele Menschen derart verzweifelt sind, dass sie all dies in Kauf nehmen um wegzukommen.

Und kann Abschreckung tatsächlich unsere Antwort auf diese humanitäre Tragödie sein? Die Schweiz und Europa sind zu Recht stolz auf ihre Erfolge und Werte. Menschenrechte, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit sind uns wichtig. Wir können diese Werte nicht schützen, in dem wir Mauern errichten und Menschen ausgrenzen. Denn diese Werte gelten universell, werden sie nur für Inländer angewandt, so werden sie relativ und bald unwichtig.

Das heisst nicht, dass alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, auch hier bleiben können. Das heisst aber, dass wir ihre Menschenwürde achten, rechtstaatlich korrekte Verfahren garantieren und allen Tendenzen Einhalt gebieten, die gegen diese Menschen billige Stimmung machen.

Die Aufnahme der Flüchtlinge ist eine grosse Aufgabe. Mitzuarbeiten, dass Menschen nicht mehr aus ihrer Heimat fliehen müssen, eine noch viel grössere. Sie betrifft unsere Wirtschaftspolitik, Aussenpolitik und Entwicklungshilfe. Die Schweiz und Europa werden aber daran gemessen werden, ob sie diese Aufgaben ernsthaft angehen oder ob sie sich darauf konzentrieren werden, die Zäune hochzuziehen.

FDP biedert sich rechtaussen an

In der heutigen Sonntagspresse findet sich ein ganzseitiges Inserat der FDP Schweiz. Unter dem Titel „Die FDP nimmt Stellung. Heute zum Thema Asyl“ schreibt die FDP, es sei zu akzeptieren, dass das Volk die Einwanderung beschränken wolle. Die Behörden hätten schon längst handeln können und auch die Zuwanderung geschickt steuern können. Dann werden diverse Verschärfungen im Asylbereich aufgezählt, die vom Parlament genehmigt seien, aber nicht umgesetzt seien. Das ganze wird mit einem Bild karikiert, auf dem ein Beamter schlafend vor einem Pult sitzt.

Das Inserat ist total daneben:

  • Erstens suggeriert es, dass am 9. Februar die Stimmbevölkerung über die Asylpolitik abgestimmt hätte,  was eine Verdehung ist.
  • Zweitens erweckt es den Anschein, dass mit einer strengeren Asylpolitik die Masseneinwanderungsinitiative abgelehnt worden wäre.  Die FDP schiebt galant – oder eher ziemlich ungalant – die Verantwortung für das Desaster in der Europapolitik an Bundesrätin Simonetta Sommaruga weiter.
  • Dritten lässt es völlig ausser Acht, dass gewisse Entscheide des Parlaments kaum umsetzbar sind, zum Teil auch davor gewarnt wurde.
  • Vierstens ist schlicht falsch, auf Grund der Asylpolitik darauf zu schliessen, man hätte die Zuwanderung schon längst steuern können. Was hat die Asylpolitik mit der Personenfreizügigkeit zu tun?
  • Viertens ist die Bildsprache mit den faulen Beamten völlig auf SVP-Linie.

Die FDP würde sich gescheiter mit klugen Vorschlägen, wie es in der Europapolitik weitergehen soll, hervortun, als sich auf diese Art aus der Verantwortung zu stehlen.