Das mit der Biologie

Der Luzerner CVP-Präsident Christian Ineichen hat sich in einem Tweet gegen die Ehe für alle ausgesprochen. Sein gutes Recht – die Diskussion ist erst in der Kommission und wird noch Jahre dauern. In der Luzerner Zeitung beklagt er sich nun, dass seine Aussage auf scharfe Reaktionen stiess. Seine KritikerInnen seien intolerant. Das erstaunt, tritt er doch selber oft als Polterer auf, der sich wenig um die Befindlichkeiten anderer kümmert.

Und: In der Kritik ist nicht so sehr seine Haltung, sondern viel mehr seine Begründung: Er greift auf die Biologie und Vorsehung zurück. Er untermauert seine Ansicht noch mit dem Hinweis, dass Mann mit Frau gehe, Frau mit Frau auch irgendwie, Mann mit Mann nicht. Schon hier zeigt sich, dass er selber mit der Biologie ins Schleudern kommt, und in erster Linie alten Bildern nachhängt. Die Nachfrage sei erlaubt, weshalb Frauen vielleicht doch Paare bilden können, Männer aber sicher nicht. Es schwant einem die eine oder andere Antwort.

Doch die Biologie ist für gesellschaftliche Fragen eine schlechte Ratgeberin. Biologistische Konzepte führen rasch ins Gestrüpp. Wie viele Tierarten kennen Paarbildungen? Wenn möglich noch monogam? Was würden all die Paare sagen, denen mit dem Hinweis auf die Biologie sämtliche Mittel zur künstlichen Befruchtung oder aber die Verhütungsmittel entzogen würden? Aber die Fragen gehen natürlich darüber hinaus: Wo sind in der Biologie demokratische Strukturen festgelegt? Wie gehen wir mit Mitmenschen um, die eine Behinderung haben? Hier überall hilft die Biologie herzlich wenig weiter.

Ich freue mich auf die Diskussion zur Ehe für alle. Führen wir sie mit rechtsstaatlichen Argumenten, gesellschaftlichen Vorstellungen im Kopf oder von mir aus auf der Grundlage einer Wertedebatte. Aber bitte nicht mit biologischen Argumenten.

Besorgte Eltern besorgen mich

Heute habe ich einen Brief und eine Broschüre einer Vereinigung „Besorgter Eltern“ erhalten. Sie sind besorgt über die Sexualaufklärung an den Schulen. Etliche Politiker würden die konkreten Inhalte der modernen Sexualaufklärung gar nicht kennen, schreiben sie. In ihrer Broschüre verpasst es aber die Organisation aber, dem Leser zu erklären, welche Teile der Sexualaufklärung an den Schulen nicht stufengerecht oder falsch sein sollen. Dagegen zählt sie in loser Form „Urväter der Gender-Ideologie“ auf und schrumpft Wissenschaftler und Schriftstellerinnen wie Magnus Hirschfeld, Simone de Beauvoir oder Judith Butler auf durchaus kuriose Kürzestzitate zusammen.

Ich kann da nur sagen: Ich wäre in meiner Jugend und auch schon in der Kindheit froh gewesen, wir hätten einen Sexualkundeunterricht gehabt, der über die einstündige Vorführung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale hinausgegangen wäre und aufgezeigt hätte, dass es neben der mitteleuropäischen monogamen Familie aus Vater, Mutter und zwei Kindern (gut, wir waren vier und schon nicht mehr Norm) noch andere Lebensformen gibt und sexuelle wie erotische Anziehungskräfte auch anderswo wirken können. Und dürfen.

Feriennachlese II : Das mit der Bibel

Bischof Huonder ist auch ein guter Sommerlochfüller. In einem Vortrag hat er aus der Bibel zitiert und darauf verwiesen, dass diese halt Homosexualität nicht zulasse, sondern als Sünde bezeichne.

1993 erschien ein neuer Katechismus, der Homosexualität nach wie vor als Sünde bezeichnete, was mich damals zum Verlassen der römisch-katholischen Kirche veranlasste. Mittlerweilen bei der evangelisch-reformierte Kirche daheim, beobachte ich mit Kopfschütteln, dass selbst ein Bischof – aber heute auch Leserbriefschreiber -heute noch seine Meinung auf Grund kurzer Bibelzitate machen kann. Es gibt doch so etwas wie eine kritische Bibelauslegung, oder irre ich mich?

Weil es immer wieder erhellend oder erheiternd ist, hier noch paar andere Bibelzitate:

„Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten!“ (Psalm 139,19)

„Wenn jemand einen widerspenstigen und ungehorsamen Sohn hat, der der Stimme seines Vaters und seiner Mutter nicht gehorcht und auch, wenn sie ihn züchtigen, ihnen nicht gehorchen will, so sollen ihn Vater und Mutter ergreifen und zu den Ältesten der Stadt führen und zu dem Tor des Ortes und zu den Ältesten der Stadt sagen: Dieser unser Sohn ist widerspenstig und ungehorsam und gehorcht unserer Stimme nicht und ist ein Prasser und Trunkenbold. So sollen ihn steinigen alle Leute seiner Stadt, dass er sterbe, …“ (5.Mose, 21,18-21)

Man findet noch viel mehr logischerweise: http://www.bibelzitate.de/gbz.html

Übrigens hat dann auch Bischof Huonder gemerkt, dass die Bibelauslegung doch nicht ganz wörtlich zu meinen sei, hat er doch selber darauf hingewiesen, dass der zweite Teil des Bibelzitates nicht als Aufforderung zu meinen sei. Der da nämlich hiess: „Beide (Männer) werden mit dem Tod bestraft. Ihr Blut soll auf sie kommen.»

 

 

 

Unklar war dann noch, ob seine zitierte Stelle, wonach man Männer, die miteinander etwas machen, auch grad noch totschlagen soll,

Homophobie im Alltag

„Das gseht so schwul us.“ „Nei, das es jo no schwuler.“ Vier Jugendliche schauen sich im Zug Handybilder an. Jedes dritte Wort ist schwul und ich höre heraus, dass das weder ironisch noch belustigend sein soll, sondern eine in irgendeiner Art nicht gute Foto bezeichnen soll. Nach ein paar Minuten habe ich die Jugendlichen – wahrscheinlich nicht in einem netten, sondern schlicht genervten Ton – gebeten, sie sollten damit aufhören, es störe mich. Einer gab noch ein „Verpiss dich“ von sich, aber nachher kam schwul bei der Beurteilung weiterer Fotos nicht mehr vor.

Heute stört sowas, in der Pubertät hätte es verwirrt und verunsichert. Es war diese Bewertung von Homosexualität, die so oft mitschwang und einem das sonst schon nicht einfache pubertäre Leben erschwerte. Vieles hat sich in den vergangenen dreissig Jahren zu Gunsten einer liberalen Gesellschaft  verändert. Viele Kämpfe sind heute nicht mehr nötig. Vielleicht sind diese Sprüche alte Restanzen und am Verschwinden. Vielleicht sind sie aber auch ein Weckruf, dass es mit der Normalität doch noch nicht so weit her ist.

Eine andere Restanz ist das Verhalten des Bistums Chur – um diesen Bogen noch zu schlagen. Die katholische Kirche muss nicht alles mitmachen, nur weil es modern sein soll. Das befreit sie aber nicht davor, sich mit den Lebensrealitäten und den Bedürfnissen der Menschen auseinanderzusetzen.

Wie Frau Kuby das Reaktionäre liebevoll verpackt

Heute war also der Vortrag von Gabriele Kuby über das unheilvolle Gender Mainstreaming. Was moderne Gleichstellungspolitik bedeutet, wird bei dieser Frau in eine Weltverschwörung von Schwulengruppen und radikalen Lesben umgedeutet, die die Familie zerstören wollen und die Werteordnung niederreissen.
Der Vortrag hatte mit ihren Extrembeispielen, Versatzstücken und Zitaten, die völlig aus dem Zusammenhang hinaus gerissen waren, durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Allerdings war dieser schwer zu ertragen, denn ihre Ansichten sind krass schwulen- und lesbenfeindlich.
Sie wies immer und immer wieder darauf hin, dass dieses Gender Mainstreaming nie politisch legitimiert worden ist. Auf meinen Einwand, dass doch in der Schweiz die registrierte Partnerschaft für homosexuelle Paare eindrücklich vom Stimmvolk angenommen worden sei, antwortete sie, es sei halt Druck ausgeübt worden und es fehle die Wachsamkeit der Menschen.
Ebenfalls ärgerlich war ihre völlige Verkennung der Realitäten. Nach ihrer Darstellung werden Christen heute diffamiert und unterdrückt, wenn sie ihre Meinung sagen und Schwulen und Lesben dagegen sind keinerlei Diskriminierungen mehr ausgesetzt. Sie hat keine Ahnung, wie viele von ihnen immer noch versteckt leben und ein Coming Out auch heute kein Spaziergang ist.
Ganz besonders ärgerlich aber war ihre Feststellung, dass sie nichts gegen Schwule und Lesben habe, dass diese auch nicht mehr verfolgt werden sollten, dass man ihnen liebevoll begegnen soll, dass ihre Lebensform aber weniger wertvoll sei für die Gesellschaft, da aus ihren Verbindungen keine Kinder entstünden.
Frau Kuby, herzlichen Dank, dass wir nicht mehr ans Kreuz geschlagen werden sollen und nicht mehr im Knast enden. Dummerweise genügt uns das aber nicht – wir möchten gleichberechtigt in der Gesellschaft leben können.
Nicht ärgerlich aber erschreckend war das Vokabular von Frau Kuby: Es gibt einen Feind, ein Territorium zu verteidigen und wir stecken in einem kulturellen Krieg. Sorry, aber wer ein solches Vokabular braucht, sät Unfrieden und kommt mir alles andere als christlich vor.

Männerversteherinnen und Gleichberechtigung

Nelly Keune hat heute in der Luzerner Zeitung anlässlich der Aktionen zum 20 Jahr Jubiläum des Frauenstreiks mächtig in die Tasten gegriffen. Sie hat ihre Nicht-Benachteiligung als Frau auf besonders originelle Art unter Beweis gestellt und ihren Kommentar mit einem Aufruf beendet, wonach die Frauen selber viel zur Gleichberechtigung tun können: Endlich ein Scheidungsrecht einzuführen, das das gemeinsame Sorgerecht über die Kinder zum Regelfall mache und endlich Regelungen abzuschaffen, die es den Frauen ermöglichten, nach einer Scheidung bis zur Pensionierung ihren Ex-Männern auf der Tasche zu liegen.
Aber hallo, das gemeinsame Sorgerecht finde ich eine gute Sache, aber es ist sicher, ganz sicher nicht zu Gunsten der Frauen. In der Praxis ist der grössere Anteil der Erziehungsarbeit doch bei ihnen und das gemeinsame Sorgerecht bedeutet für sie im Konfliktfall oft Mehrarbeit. Wenn dann eine Redaktorin als Gegenleistung grad auch noch die Leistungen an geschiedene Frauen kürzen will, dann finde ich das eine tolle win-win-Situation – für die Männer, aber für die Frauen bleibt da nix übrig.
Auch Sätze wie: „Wenn sie Kinder und Karriere verbinden wollen, warum machen sie das nicht einfach und zwar ohne zu erwarten, dass einem der Arbeitgeber eine steile Karriere in einem 20 Prozent-Pensum möglich macht?“ sind schlicht beleidigend. Ich kenne erstens keine Frau, die mit 20 Prozent Karriere machen will und ich kenne ebenfalls keine Frau, die Kinder hat und beruflich vorwärts kommen will, die nicht ab und zu den Verleider hat, weil sie es eben „nicht einfach machen“ kann.
Nelly Keune stellt die Frage nach Tätern und Opfern und meint, die Frauen würden den Männern den Täterstempel aufdrücken. Ich nehme die Debatte viel differenzierter wahr und finde diese Diskussionen in Opfer-Täter-Schemen in diesem Bereich auch unnütz. Nur: Mit diesem Kommentar macht Nelly Keune Frauen zu Täterinnen: Die wie gesagt ihren Männern auf der Tasche liegen, von den Chefs eine Karriere verlangen und den Männern die Kinder vorenthalten. Darin kann ich keinen wirklichen Fortschritt in der Geschlechterdiskussion sehen.
Vielleicht ist die Kommentatorin etwas gar stark von geschiedenen Männern umgeben?

SVP: Wider der Unnatürlichkeit…

In der Sonntagszeitung durfte Anian Liebrand gegen den Sexualkunde im Kindergarten anschreiben. Dies ist populär, weil sich frau und mann vielleicht nicht ganz das richtige unter dem Begriff vorstellt. Es wird wohl kaum darum gehen, dass Kindergärtnern Aufklärung à la Bravo vorgesetzt wird.
Was alles zum Schulunterricht gehört, darüber kann man von mir aus lange streiten. Ich hatte einmal in der 6. Primarklasse einen Crashkurs in Aufklärung und dann wieder in der 3. Kantonsschule, wobei dort der Lehrer noch erklärte, Homosexualität sei unnatürlich, das sie im Tierreich nicht vorkomme. Eine sehr hilfreiche Aussage, wenn man selber grad so langsam merkt, wie man tickt…. In diesem Sinn bin ich froh, dass das Thema heute anders eingebettet wird und etwas umfassender im Lehrplan vorkommt.
Ein besonderes Ärgernis ist aber, dass Anian Liebrand einmal mehr mit der Mär kommt, der Sexualunterricht werde gemäss der Gender-Mainstreaming-Ideologie gestaltet, wonach der Unterschied zwischen Mann und Frau zerstört werde und jeder sein Geschlecht nach eigenem Belieben wählen könne. Dazu würden die „Kinderchen“ noch mit homosexuellen Praktiken konfrontiert und damit das gesellschaftliche Zusammenleben über den Haufen geworfen. Siehe dazu auch meinen Eintrag vom Dezember Auch hier kann ich nur anfügen: Herzlichen Dank Herr Liebrand, wir Schwulen und Lesben wissen nun wieder, dass wir möglichst von Kindern ferngehalten werden sollen.
Am 25. Juni kommt Gabriele Kuby mit einem Vortrag nach Luzern, sie ist Vorreiterin im Kampf gegen Gender Mainstreaming und ist als stramme Verteidigerin der vatikanischen Ideologie. Es ist zu hoffen, dass sich ein paar kritische Geister an diesem Abend gegen diesen neuen Unsinn zur Wehr setzen.
Ich warte nun mal ab, wann die SVP Luzern auch noch die Evolutionstheorie angreift und für den Biologieunterricht die Bibel als Grundlage einführen will.

Die kruden Weltverschwörungstheorien à la SVP

Emil Grabherr von der SVP teilt im SVP-Heftli „Kurier“ mal wieder aus und schreibt von Homosexuellen als männliche Huren und Bubenschänder. Dass bei der SVP immer mal wieder eine schwulen- und lesbenfeindliche Haltung irrlichtert, ist nichts Neues, auch nicht, dass das Parteiorgan „Kurier“, dem breiten Platz gibt. Dabei kommt Grabherr noch nett daher, eine Nummer zuvor hat Kurt Fischer, SVP-Mitglied aus Udligenswil auf zwei Seiten gegen den „Gender Mainstreaming“ angeschrieben. Was unter dem deutschen Begriff der Gleichstellungspolitik läuft,ist aus der Sicht des Schreibenden ein Produkt der „kommunistischen, atheistischen, radikal-feministischen, sexualistischen, den Drogen-Konsum fördernden antichristliche 68er Bewegung.“ Bei Gender Mainstreaming handle es sich um eine kulturelle Revolution der internationalen Homo- und Lesbenorganisationen, die von der UNO und EU (logo, das musste ja kommen) unterstützt und mit aller Macht durchgesetzt werde. Heterosexualität solle als bisherige Norm zugunsten aller anderen bisher als abnorm geltenden Sexualitäten aufgehoben werden, Abnormales werde zur Norm erklärt, dies unter völliger Missachtung der christlichen Werte. Dann wird noch Judith Butler als „lesbische Urmutter“ betitelt.

Dazu kann man nur sagen: Es ist ja ein wahres Glück, dass Personen wie Kurt Fischer sich dem Zwang, jetzt auch noch schwul zu werden,  offensichtlich bis heute entzogen hat. Es wäre mir keine Freude, solche Herren an unserem Ufer begrüssen zu müssen.

Vor noch längerer Zeit hatte Josef Huber Obernau auch noch die Naturkräfte als Zeugen für die Verdorbenheit der Schwulen herbeigezogen. Während an einem Jodel- oder sonstigem Fest die Sonne geschienen hatte, wurde eine Gay-Parade verregnet. Die Schlussfolgerung daraus war für Josef Huber Obernau klar. Die Antwort auf meine damalige Frage, weshalb in Kriens die Unwetter regelmässig im Obernau ihren Anfrang nehmen, blieb aus.

Die SVP ist ein Sammelsurium von Personen, die in einer aufsteigenden Partei mitmachen wollen. Viele von ihnen vertreten konservative, teilweise auch engstirnige Positionen, wie man sie aber auch in der CVP und etwas weniger in der FDP vorgefunden hat oder noch vorfindet. Nichts dagegen zu sagen, auch wenn das nicht meiner politischen Linie entspricht. Sie hat aber auch ein Potenzial an Leuten, denen sie etwas mehr auf die Finger schauen müsste. Die rassistische Äusserungen machen, kruden Weltverschwörungstheorien anhängen oder eben schwulen- und lesbenfeindlich sind.