Bodenpreise à la Monopoly: Ein Korrekturvorschlag

Die Bodenpreise sind stark am Steigen. Schlagzeilen wie «Bauland wird teurer» oder «So teuer ist der Boden» prägen die Nachrichten. Das ist auch in den Zahlen jener Kantone ablesbar, die Bodenpreise statistisch verfolgen. Im Kanton Zürich sind die durchschnittlichen Preise von 2012 bis 2022 von 1141 auf 1754 Franken angestiegen – eine satte Steigerung von mehr als 50 Prozent. Und dies in einer Zeit, als es praktisch keine Teuerung gab. Die Stadt Zürich meldete letztes Jahr  ebenfalls horrend gestiegene Preise: Die Bruttopreise – also Boden inklusive Gebäude – haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Sie liegen mittlerweile bei 5800 Franken, im Bereich Bahnhofstrasse bei 100’000 Franken, an zentralen Lagen wie Enge oder am Stauffacher auch noch bei 20’000 Franken.

In anderen Regionen  – soweit Daten überhaupt vorhanden sind – ist die Entwicklung teils etwas gemächlicher, aber sie zeigt fast überall nach oben. Was noch vor 20 Jahren ein ungläubiges Staunen auslöste, sind heute gängige Preise.

Was sagt der Bundesrat zu dieser Entwicklung? Wie immer bei diesen Themen: Nicht gerade viel. In einer Antwort auf eine Interpellation von mir kommt der Standardsatz, dass er die Entwicklung beobachte. Der Zugang zu bezahlbarem Wohnraum sei ein Ziel des Bundesrates. Nur verrät er nicht, wie er es konkret umsetzen will. Und zu den Bodenpreisen schreibt er: «Es gibt derzeit keine Massnahmen, mit welchen der Bundesrat die marktwirtschaftliche Mechanismen der Preisbildung bei den Bodenpreisen beeinflusst.»

Der etwas sperrige Satz macht eines offensichtlich: Der Bundesrat glaubt nach wie vor, dass das begrenzte Gut namens Boden, das wir alle zum Leben brauchen, nach marktwirtschaftlichen Kriterien gehandelt werden soll. Dabei kann es gar keinen Markt geben: Das Angebot, der Boden, ist nicht vermehrbar und doch müssen alle Menschen irgendwo wohnen und müssen zwangsweise für den Boden bezahlen, und sei es mit der Miete. Dabei sehen wir die Auswüchse seit vielen Jahren, Jahrzehnten. Wem der Boden gehört, war schon immer eine zentrale Frage. Die einen haben Boden und holen sich hohe Profite, andere haben keinen Boden und müssen für diese Profite bezahlen, oft durch völlig überhöhte Mieten.

Der Wertzuwachs über die Zeit wird durch die Grundstückgewinnsteuer besteuert. Immerhin erhält hier der Staat einen Anteil des Wertzuwachs. In der Stadt Zürich waren es letztes Jahr unglaubliche 421 Millionen Franken Grundstückgewinnsteuern. Im Kanton Luzern waren es noch 2022 stolze 106 Millionen Franken, die zwischen dem Kanton und den Gemeinden aufgeteilt werden. Merkwürdig nur, dass von diesem Geld nichts zum Erhalt oder Bau preisgünstiger Wohnungen fliesst. Damit würde die Wirkung dieser Steuer massiv erhöht.

Die Gemeinden oder Kantone sind ja nicht unglücklich über diese Einnahmen, die in die allgemeine Kasse sprudeln. Man kann so die Einnahmen aufbessern und ist damit auch Profiteur dieser Preissteigerungen. Und ist vielleicht verleitet, diese Tendenz gar nicht brechen zu wollen.

Will man diese Tendenz unterbinden, gibt es verschiedene Ansätze. Einer ist eine grundsätzliche Diskussion über die Bodenfrage, die aber erfahrungsgemäss schwierig zu führen ist. Eine konkrete Diskussion bei Planungen auf Gemeindeebene oder der Bodenpolitik der Gemeinden, was schon erfolgsversprechender ist.

Eine dritte Möglichkeit ist eine pragmatische und als Teillösung zu verstehen: Wenn wir einen Teil der Grundstückgewinnsteuer für den gemeinnützigen und preisgünstigen Wohnungsbau einsetzen, dann flicken wir mit den Gewinnen dieser Bodengeschichte mindestens ein Stück weit die Schäden, die die Preisspirale verursacht. Ausserhalb der grossen Städte läuft im Bereich der Wohnungspolitik leider wenig und mit diesem Ansatz müssten alle aktivere Wohnpolitik verfolgen. Ich habe diesen Vorschlag mit einem Vorstoss eingebracht und ich zähle auf die Bereitschaft, nicht nur ständig über diese massiven Steigerungen der Landpreise zu lamentieren, sondern auch etwas zu unternehmen.

Keine Bundessache? Da würden sich einige Gegner der Wohninitiative noch wundern

Ein Hauptargument gegen die Wohn-Initiative lautet: Das ist nicht Bundessache, die Probleme sind lokal und dort soll gehandelt werden. Diese Logik ist nur schon etwas quer, weil in der Bundesverfassung Wohnen an drei Stellen ein Thema ist – also klar auch beim Bund angesiedelt.

Nun kann man ja Purist sein und eine strenge Trennung der Aufgaben von Bund und Kantonen (und Gemeinden) einfordern. So wie es die Gegner jetzt im Abstimmungskampf machen. Dann sollten sie aber einen kürzlich erschienen Bericht zur Aufgabenteilung zur Hand nehmen. Die aufgeführten Aufgaben bringen  das Argument etwas ins Wanken. Hier eine kleine Auswahl

  • Gefahrenprävention inklusive Schutzwald:  Bund 233 Mio, Kantone 203 Mio.

Es wird niemand bestreiten, dass Schutzwälder oder Lawinenverbauungen sehr örtliche Probleme beheben. Keine Lawine rollt ins Mittelland runter. Die Gefahren von Überschwemmungen mögen regional sein, aber von einem einzelnen Gewässer geht keine nationale Gefahr aus. Trotzdem zahlt der Bund an diese Aufgaben und in stärker betroffenen Regionen auch einen höheren Anteil. Was ich auch völlig richtig finde.

  • Denkmalpflege und Archäologie Bund 26 Mio, Kantone 229 Mio.

Mit Beiträgen der Denkmalpflege werden Immobilien saniert, die stets ihren Standort haben. Sind sie deshalb auch nur ein lokales Thema?

  • Regionalpolitik Bund 28 Mio, Kantone 51 Mio.

Der Name besagt es bereits. Mit der Regionalpolitik werden regionale Projekte gefördert. Im Kanton Luzern hätte etwa das Skigebiet Sörenberg einen Beitrag zur Erneuerung ihrer Anlagen erhalten sollen. Effektiv umgesetzt wurden zum Beispiel eine Attraktivierung des Hochdorfer Zentrums, die  Entwicklung eines Dampfbads im Seetal, das Gästival, eine Studie für die Wiggertalbahn oder der Gesundheitstourismus in Luzern wurde unterstützt. Das ist doch auch alles lokal oder regional zu verorten.

  • Agglomerationsprogramme Bund 211 Mio, Kantone 103 Mio.

Mit den Agglomerationsprogrammen werden viele wichtige Projekte im Bereich der Mobilität unterstützt. Neue Busspuren, Velowege, eine Weiterführung eines Trams oder eine intelligente Pförtnerung des Verkehrs. Immer geht es dabei um Verkehrsanliegen einer Agglomeration und nicht um ein übergeordnetes Verkehrssystem wie das Eisenbahn- oder Autobahnnetz.

Die Aufzählung zeigt: Auch nach verschiedenen Aufgabenentflechtungen gibt es in der Schweiz keine strikte Trennung der Aufgaben und deren Finanzierung nach den verschiedenen Staatsebenen. Vieles wird als Verbundaufgabe gemeistert. Letztlich geht es um eine politische Wertung, was dem Bund respektive den Parlamentsmehrheiten wichtig ist. Ob Wohnen als nationales Thema  oder als lokales Problem definiert wird, hat nichts mit Geografie, dafür viel mit Politik zu tun.

 

Die irre Logik des Wohnungsmarktes

Viel Post während der Session: Unter anderem auch ein Brief des Verbands Immobilien Schweiz. Nicht überraschend warnt der Verband wenige Tage vor der Behandlung der MV-Volksinitiative „Mehr bezahlbare Wohnungen“ im Ständerat vor deren Annahme. Logisch, den Immobilieninvestoren könnte ja die eine oder andere Renditemöglichkeit entgehen, würden die Wohnbaugenossenschaften etwas mehr bauen können. Man muss sich aber die Argumentation des Verbands genauer zu Gemüte führen, schreibt er doch: „Diese (Initiative) würde nicht zu mehr günstigem Wohnraum für Wenigverdienende führen; sie würde vielmehr dem Markt Wohnungen entziehen und somit die Wohnungen im freien Markt verteuern. Gemeinsam mit anderen Partnerverbänden setzen wir uns gegen die falschen Versprechungen ein – damit der freie Wohnungsmarkt allen die gleiche Chance bietet.“

Diese Sätze klingen nach astreiner Ökonomie, aber sie sind Nonsens:

  1. Wenn Wohnbaugenossenschaften mehr Wohnungen besitzen, so nimmt zuerst einmal der Anteil der preisgünstigen Wohnungen schlicht und ergreifend zu.
  2. Ein Anteil günstiger Genossenschaftswohnungen (oder auch städtische wie in Zürich) dämpfen zuerst einmal das gesamt Mietzinsniveau.können Investoren nicht jeden Fantasiepreis verlangen, wenn nebenan günstigere gemeinnützige Wohnungen bestehen.
  3. Sorry, aber auf dem freien Markt haben eh nicht alle die gleichen Chancen. Wer ein kleines Einkommen hat, hat’s dort einiges schwieriger. Und der sogenannt freie Wohnungsmarkt wird nicht gerechter, ob nun er 80, 90 oder 100 Prozent aller Mietwohnungen umfasst.

Zürich kann noch wachsen trotz täglichen Falschbehauptungen

Heute wieder: Das Immobilienbüro IAZI behauptet in der NZZ, die Stadt Zürich habe 2021 keine Landreserven mehr. Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga behauptete in der Arena, dass auch Zürich Einzonungen für eine Entwicklung nötig habe – sei es zum Bau von Schulhäusern oder im Kampf gegen hohe Mieten. Die Stadt Zürich hat schon lange keine Grünflächen mehr eingezont. Und trotzdem wächst sie.

Wie macht sie das nur? Das ist kein Geheimnis, sondern offizielle Politik, die von der Stadt kommuniziert wird.  So hat die Stadtregierung im August 2017 bei der Genehmigung einer Teiländerung der Zonenplanung durch den Kanton mitgeteilt, dass die Stadt Zürich bis 2030 auf 490’000 Einwohner anwachsen kann und dafür „keine massgebliche wertvermehrende Um- und Aufzonungen“ vorgenommen würden. Die bestehende Bau- und Zonenordnung verfüge über genügend Reserven. Und der kommunale Richtplantext geht sogar von theoretischen Reserven für 260’000 Personen aus.

Wer ernsthaft meint, die Stadt Zürich könne das Problem der hohen Mieten oder von fehlendem Schulraum durch die Einzonung der letzten drei (ok. vielleicht sind es noch zwei mehr) Bauernhöfe auf Stadtgebiet lösen, ist total auf dem Holzweg. Für preisgünstige Wohnungen braucht es mehr gemeinnützigen Wohnungsbau und neue Schulhäuser werden ja wohl kaum an der Peripherie gebaut.

Sagen wir Ja zur Zersiedelungsinitiative und schützen wir damit die Landschaft und setzen gleichzeitig auf eine nachhaltige Quartierentwicklung.

Systemwechsel Wohneigentumsbesteuerung: Keine Schlunggs!

Die ständerätliche Kommission nimmt einen neuen Anlauf zur Abschaffung des Eigenmietwerts und hat gestern ihre Eckpunkte dazu veröffentlicht. Sie machen total misstrauisch, ob nach x-Anläufen jetzt eine vertretbare Variante entsteht.

Richtig ist: Der Eigenmietwert ist zwar steuersystematisch richtig, aber er ist schwer erklärbar und hat zu massiven Steuerschlupflöchern geführt. Indirekte Amortisation via dritte Säule, geschickt verteilte Unterhaltsarbeiten und Senkungen bei den Steuerwerten führten dazu, dass Wohneigentümer steuerlich gut fahren und sich das Modell mit dem Eigenmietwert überlebt hat. Konsequent ist eine Abschaffung des Eigenmietwertes, wenn gleichzeitig alle Abzugsmöglichkeiten auch abgeschafft werden.

Was sieht der Ständerat nun vor? Er will zwar die heutigen Abzugsmöglichkeiten abschaffen, aber einen neuen Ersterwerberabzug einführen. Wer eine Wohnung kauft, und deshalb viel Geld aufnehmen muss,  soll neu während einiger Jahren einen Abzug auf dem steuerbaren Einkommen machen können. Das ist systemwidrig, aber je nach Höhe des Abzugs verkraftbar.

Völlig falsch dagegen ist die Absicht, den Kantonen weiterhin zu erlauben, dass Investitionen für einen Abriss, für energetische und denkmalpflegerische Aufgaben weiter als Abzüge zuzulassen. Diese Abzüge haben nichts mehr in einem neuen System zu suchen und müssen wenn schon in Fördergelder für energetische Massnahmen umgewandelt werden.

Der Meccano dahinter ist leicht durchschaubar. Wie wir es aus anderen Diskussion längst kennen, wissen wir: Erhalten die Kantone die Möglichkeit, fakultative Steuerabzüge einzuführen, so beginnt ein Kanton damit, die Nachbarkantone meinen mitziehen zu müssen und innert weniger Jahre sind die Abzüge flächendeckend in Anwendung.

Der Hauseigentümerverband hat hoch und heilig angekündigt, dass er einen Systemwechsel mit einer Abschaffung aller Abzüge unterstützt und in diesem Sinne einen Kompromiss sucht. Er sollte den Ständerat jetzt daran erinnern.

 

Wohninitiative: «Der Unterschied macht die Rendite»

Ein Dach über dem Kopf ist eines der elementarsten Grundrechte – und gleichzeitig ein grosses Geschäft für Vermieter, Anleger und Immobilienbesitzer. In der Schweiz haben es Mieterinnen und Mieter schwer, zu ihrem Recht zu kommen und zahlbare Wohnungen zu finden. Hier setzt die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» an. Diesen Mittwoch fasst der Nationalrat eine Empfehlung. Gleichzeitig wird das Mietrecht aus rechten Kreisen frontal angegriffen, sagt Nationalrat Michael Töngi.

Gian Waldvogel: Im ersten Satz des Argumentariums steht ein Satz, der nicht wirklich zur Statistik passt stimmt: Trotz reger Bautätigkeit herrscht in der Schweiz Wohnungsnot. Aber die Leerwohnungsquote liegt 2018 mit 1.62 Prozent so hoch wie seit langem nicht mehr. Es ist also mehr als genug Platz da.

Michael Töngi: Es stimmt, dass in den vergangenen Jahren viel gebaut wurde und es gibt Gemeinden mit vielen leeren Wohnungen. Ein Beispiel ist Huttwil im Kanton Bern, wo auf 5000 Einwohner rund 300 Wohnungen leer stehen. Hier wurde viel zu viel gebaut. Fakt ist jedoch, dass die Mietpreise trotz Bauboom und deutlich gesunkenem Referenzzinssatz weiter ansteigen. Nur im oberen Segment sinken die Preise für neu ausgeschriebene Wohnungen.

Weshalb wurde das Volksbegehren lanciert?

Die Initiative wurde gestartet, damit der Bund mehr unternimmt als heute. Der Mieterinnen- und Mieterverband hat die Initiative 2015 lanciert, weil wir uns über die Untätigkeit des Bundes geärgert haben. Jahrelang hat Bern Massnahmen geprüft, wie er günstigen Wohnraum fördern könnte und am Schluss wurde gar nichts unternommen. Das liegt unter anderem an Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der sich nicht für die Anliegen der Mieterinnen und Mieter interessierte. Erschwerend kommt hinzu, dass die CVP in der aktuellen Legislatur mit der SVP und FDP zusammenarbeitet und so auch die sanftesten Massnahmen zu Gunsten des Mieterinnen- und Mieterschutzes verhindert hat.

Die Initiative verlangt, dass doppelt so viele gemeinnützige Wohnungen wie bisher erstellt werden. Weshalb kann das nicht dem freien Markt überlassen werden?

Der Markt regelt eben nicht alles. Ein Dach über dem Kopf brauchen wir alle, dieses Gut müssen wir konsumieren. Daher ist es ein asymmetrischer Markt, der nicht Marktprinizipien funktioniert. In Städten beispielsweise besteht immer eine grössere Nachfrage als Angebot und in diesen Bereichen muss der Staat eingreifen. Beispielsweise indem die Preise kontrolliert werden oder noch besser: Es wird preisgünstiger Wohnraum geschaffen, der auf die Dauer günstig bleibt.

Der Bundesrat empfiehlt die Initiative zur Ablehnung, sie sei nicht marktkonform. Doch er unterstützt den Rahmenkredit im Umfang von 250 Millionen Franken für die Aufstockung des Fonds de Roulement. Aber nur, falls die Initiative nicht angenommen wird. Wie funktioniert dieser Fonds und weshalb reicht das nicht als Massnahme?

Aus diesem Fonds erhalten Genossenschaften preisgünstige Darlehen. Ein seit vielen Jahren bewährtes Instrument für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Das Parlament entscheidet dabei jedes Jahr im Rahmen des Budgets, wie viel Geld aus dem Rahmenkredit tatsächlich den Genossenschaften zur Verfügung gestellt wird. Der letzte Rahmenkredit ist nun wieder aufgebraucht und es muss ein neuer gesprochen werden. Das ist eine ganz normale Tätigkeit, die nichts mit der Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbandes zu tun hat. Die Verknüpfung der beiden Geschäfte ist widersinnig. Wenn die Initiative angenommen würde, müsste der Bund im Gegenteil noch mehr unternehmen für den gemeinnützigen Wohnungsbau.

Die Vorgabe der Initiative ist sportlich, gerade in der Stadt Luzern zeigt sich, dass es schwierig ist, zusätzlichen gemeinnützigen Wohnraum zu schaffen. Wie soll das umgesetzt werden vom Bund?

Ein wichtiger Aspekt ist die Bodenpolitik der Gemeinden. Jede Kommune soll ein Vorkaufsrecht auf Land erhalten und kann diese Grundstücke dann für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Eine aktive Bodenpolitik, wie sie beispielsweise die Stadt Luzern dank der Initiative der Grünen nun betreibt, ist dabei absolut entscheidend. Die Raumplanung ermöglicht es Gemeinden ausserdem, einen gewissen Anteil an günstigen oder gemeinnützigen Wohnungen in neuen Überbauungen vorzuschreiben.

Kamen Herr und Frau Schweizer 1970 durchschnittlich noch mit 27 Quadratmetern Wohnfläche pro Kopf aus, so beläuft sich diese Zahl im Jahr 2000 auf über 40 Quadratmeter. Und auch der Standard muss immer besser werden. Sind die Mieterinnen und Mieter nicht selbst die Treiber der Wohnkosten?

Am meisten Platz beanspruchen Eigentümerinnen und Eigentümer. Beispielsweise Alleinstehende, die alleine in einem 150 Quadratmeter grossem Haus wohnen. Das zeigt auch die Statistik, der Platzverbrauch der Eigentümer ist rund 10 Quadratmeter höher als derjenige von Mieterinnen. Die Wohnsituation ist dabei hochgradig abhängig vom Einkommen. Stehen einem Haushalt weniger als 5000 Franken zur Verfügung, verwenden die Bewohner im Schnitt über 30 Prozent des Einkommens fürs Wohnen. Es gibt breite Bevölkerungsschichten, die sich nicht mehr Wohnraum leisten konnten in den vergangenen Jahrzehnten. Gegensteuer zur Wohnflächenverschwendung geben Genossenschaften, die günstigen Wohnraum an Belegungsvorschriften knüpfen und so masslosem Wohnraumverbrauch sowie der Zersiedlung Einhalt gebieten.

Der Nationalrat hat in der Dezembersession bereits Inlandinvestitionen in den Klimaschutz abgelehnt. Davon betroffen sind auch Gebäudesanierungen, die keinem einheitlichen Standard unterliegen sollen. Wie wichtig ist denn der Wohnbereich, um den Co2-Ausstoss zu reduzieren und die Klimaziele der Schweiz bis 2030 zu erreichen?

Rund 27 Prozent aller Treibhausemissionen werden im Wohnbereich verursacht. Das Parlament hat sich nicht nur geweigert, Standards für Sanierungen zu schaffen. Es wurden auch die Sanktionsmöglichkeiten gestrichen, falls die Emissionen nicht bis 2030 um 50 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 gesenkt werden. Das heisst, es können beispielsweise weiterhin Ölheizungen verbaut werden ohne dass die Eigentümer mit Konsequenzen zu rechnen haben. Ein unerhörter Tiefschlag. So schaffen wir den Ausstieg aus den fossilen Energien nie.

Stehen energetische Sanierungen nicht im Widerspruch zu preisgünstigem Wohnen?

Wenn Sanierungen in erster Linie auf energetische Massnahmen beschränkt, bewegt sich die Mieterhöhung im überschaubaren Rahmen. Eine wirklich gute Sanierung erhöht die Miete um rund 200 Franken. Für die Energiewende müssen alle einen Beitrag leisten. Es darf aber nicht sein, dass die Energiewende letztlich als Renditemaschinerie für Eigentümer missbraucht wird. Schwierig wird es, wenn zu teuer saniert wird um den Standard der Wohnung zu heben und den bisherigen Mietparteien gekündigt wird, um die Wohnung neu auf einem hohen Marktniveau zu vermieten. Heute ist sehr viel Geld da, das investiert werden will. Dieses wird oft für teure Aufwertungen eingesetzt, die gar nicht notwendig wären.

Wie steht es um die Rechte der Mieterinnen und Mieter, können sie sich gut wehren?

Nein, aber wer sich aktiv bemüht, kann zumindest auf gewisse Rechte pochen. Wir haben nur eine Missbrauchsgesetzgebung: Solange der Mieter nicht reklamiert, geschieht nichts, egal wie falsch der Mietzins ist. Die Mieterin muss in jedem Fall an die Schlichtungsstelle gelangen: das ist eine grosse Hürde und gerade im Fall von Mietzinsaufschlägen bei energetischen Sanierungen ein Problem.

Weshalb?

Die Fördergelder stammen aus der CO2-Abgabe, welche die Mieter und Mieterinnen bezahlen. Kommt es zu einer Kündigung wegen der Sanierung, so haben – überspitzt formuliert – die Mieter ihren eigenen Rauswurf finanziert. Da sollte der Staat die Mietzinserhöhungen von sich aus kontrollieren. Das würde auch das Vertrauen in die Energiewende erhöhen.

Unser Stadtpatrizier Junker Jost pocht darauf: Auch private Immobilienbesitzer können preisgünstigen Wohnraum anbieten. Wo liegt der Unterschied zwischen gemeinnützigem und preisgünstigem Wohnen aus Sicht der Mieterinnen und Mieter?

Genossenschaften und Private können teuer oder günstig bauen: Der Ausbaustandard definiert die Anfangsmiete. Der Unterschied macht die Rendite, die ein Privater aus seiner Anlage erzielen will. Auf längere Frist steigen die Mieten deshalb immer bis zu dem Preis an, welcher der Markt hergibt. Genossenschaften hingegen rechnen nur auf Basis der Zinsbelastung und der Unterhaltskosten, ein Gewinn muss nicht abfallen. Schweizweit sind die Mieten von privaten Anbietern im Schnitt 20 Prozent höher als bei gemeinnützigen Genossenschaften.

Was immer wieder auffällt: Mit Pensionskassengeldern von Besserverdienenden wird kräftig spekuliert und gebaut. Ist das nicht eine eklatante Bereicherung der Gutverdienenden auf Kosten von Mieterinnen und Mieter mit kleinem Budget?

Es ist vor allem eine Umverteilung zwischen Eigentümer und Mieter. Eigentümerinnen und Eigentümer wohnen dank den tiefen Zinsen heute viel günstiger als Mietende. Die Mieter bezahlen dagegen ständig mehr fürs Wohnen und finanzieren so auch die Pensionskassen mit. Alleine während 2007 und 2013 – neuere Zahlen kommen erst später – sanken die Wohnkosten von Eigentümerhaushalten um 80 Franken pro Monat, jene der Mieterhaushalte stiegen dagegen um 200 Franken. Das ist eine bemerkenswerte Umverteilung.

Nicht zu unterschätzen für die Preisspirale nach oben sind die Gemeinden selbst. Bestes Beispiel ist Kriens: Dort durfte der Immobilienmogul Mobimo das Filetstück beim Mattenhof für 800 Franken pro Quadratmeter kaufen, wohingegen die gemeinnützige Genossenschaft Wohnwerk über 2000 Franken bezahlen musste.

Es ist unglaublich, wenn Gemeinden weiterhin so gedankenlos mit dem Boden umgehen. Mobimo bezeichnet die Überbauung Mattenhof als Leuchtturmprojekt, doch ich bin skeptisch, ob dort ein lebendiges Quartier entsteht. Das Projekt ist renditegetrieben wie auch jenes auf dem Nachbargrundstück: Weil das Geld für eine Sporthalle fehlt, wird sie von privaten Investoren gebaut und mit einem 103 Meter hohen Wohnturm gegenfinanziert. Ist das wirklich unsere Vorstellung von einer guten Siedlungsplanung in Einklang mit hoher Lebensqualität?

Achten da Genossenschaften mehr drauf?

Ja, insgesamt ist festzustellen, dass die Bedürfnisse der Menschen nach Lebensqualität und Behaglichkeit bei genossenschaftlichen Wohnbauprojekten im Vordergrund stehen. Private Bauherren können auch gute Projekte realisieren, aber wenn die Gemeinden nicht klare Auflagen machen, siegt halt häufig der Renditegedanke.

Auch ein Faktor der in diesem Zusammenhang stossend wirkt: Gemeinden versuchen günstigen Wohnraum zu reduzieren, um weniger gute Steuerzahler und Sozialhilfeempfängerinnen zu verscheuchen. Was kann dagegen unternommen werden?

Das ist ein Auswuchs des Föderalismus. Es braucht in erster Linie einen Ausgleich aller Soziallasten zwischen den Gemeinden. Das sollte über einen kantonalen Finanzausgleich geregelt werden. Irgendwo müssen diese Menschen ja leben. Abgesehen davon müssen gemeinnützige Wohnungen ja nicht nur ärmere Menschen anziehen. Es gibt durchaus Gutverdienende, die ganz gezielt günstiger wohnen, sich im Platz einschränken und das gesparte Geld für etwas anderes einsetzen. Solange die Wohnungen nicht subventioniert sind, ist das völlig in Ordnung.

Vorstösse der Immobilienlobby sollen Mietzinsaufschläge erleichtern und höhere Renditen ermöglichen. Gleichzeitig soll der Mieterschutz nur noch in Gebieten gelten, in denen Wohnungsmangel herrscht. Eine bösartige Strategie, bedenkt man die vielen spekulativen Projekte, die die Leerwohnungsquote künstlich nach oben treiben.

Wir haben sowieso ein schwaches Mietrecht. Diese Vorstösse würden dem Mietrecht einen Todesstoss versetzen. In vielen Regionen könnte man nicht einmal mehr eine Mietzinssenkung verlangen, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Dadurch stiege die Rendite der Eigentümer auf Kosten der Mieter jährlich an. Hier ist die rechte Mehrheit in der Rechtskommission durchmarschiert. Die nationalen Wahlen im nächsten Jahr entscheiden nun darüber, ob diese Vorstösse auch im Parlament durchkommen werden.

Für die Mieterinnen und Mieter in diesem Land

Gestern wurde ich in den Vorstand des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands gewählt. Ich führe damit eine Arbeit fort, die ich als langjähriger Generalsekretär des Verbands geleistet habe und auch als Vorstandsmitglied der Luzerner Sektion seit einem halben Jahr mit Engagement führe.

Aus meiner Erfahrung mit den Problemen auf dem Wohnungsmarkt möchte ich als grüner Nationalrat zwei Schwerpunkte setzen: Mein Einsatz für die Wohninitiative und die Klimafrage.

Unsere Wohninitiative kommt im Dezember in den Nationalrat und voraussichtlich 2020 in die Volksabstimmung. Die Initiative stellt wichtige Fragen und schlägt Lösungen vor. Bodenpolitik, renditegetriebener Wohnungsmarkt, überrissene Mieten, Sanierungen und Kündigungen, wer wo und zu welchen Preisen wohnen kann, das interessiert die Menschen und darüber wollen wir mit ihnen reden. Von der nationalen Politik fordern wir eine Diskussion, die nun seit Jahren verweigert wurde.

Die Klimafrage lässt niemanden mehr kalt. Alle müssen ihren Beitrag leisten, damit wir den CO2 Ausstoss schnell genug begrenzen können und die Trendwende schaffen. Auch die Mieterinnen und Mieter. Gleichzeitig kann es nicht sein, dass die Energiewende zur Renditeoptimierung für Vermieterinnen und Vermieter verkommt und diese am Schluss hohe Renditen einfahren. Im Bereich des Solarstroms wurde ich mit Investoren konfrontiert, die auf sechs oder acht Prozent Rendite pochten – bezahlt von den Mietenden. Vermieter isolieren ihre Gebäude, holen dazu Fördergelder ab und schmeissen gleichzeitig ihre Mieter raus um die Wohnungen nachher auf höchstem Marktniveau neu zu vermieten. Haarsträubende Vorstellungen. Ein Ausgleich der Interessen ist aber möglich und daran will ich mitarbeiten.

Wohnpolitik für den Bund unwichtiger als Lawinenverbauungen?

Die zuständige Kommission hat die Wohninitiative abgelehnt. Und gleichzeitig grad noch eine Aufstockung der Kredite zu Gunsten der Wohnbaugenossenschaften abgeschossen. Statt einem Ausbau der Wohnbaupolitik des Bundes bedeutet das einen Abbau.  Neue Genossenschaftsprojekte können damit nur noch mit wenigen Millionen Franken pro Jahr in Form von Darlehen unterstützt werden. Damit erreicht die Wohnbauförderung in der Schweiz einen nie gekannten Tiefpunkt. Der Bund überlässt die Wohnpolitik damit gänzlich den Kantonen und vor allem den Gemeinden.

Das liegt auf der Line der Gegner der Wohninitiative und von BR Johann Schneider-Ammann. Wohnpolitik sei Sache der Gemeinden. Nur: In anderen Bereichen fühlt sich der Bund durchaus in der Pflicht. Sei es Hochwasserschutz, Landwirtschaftspolitik oder der Schutz vor Lawinen, da zahlt der Bund einen schönen Teil der Kosten.

Nehmen wir das Beispiel der Lawinenverbauungen. Dort übernimmt der Bund 30 bis 35 Prozent der Kosten. Die Anlagen sind standortgebunden, bedrohen offensichtlich die Leute und Güter vor Ort und man könnte gut und recht sagen: Das ist Sache der Standortgemeinde, vielleicht unter dem Aspekt der Solidarität -wenn man eine einzelne Gemeinde nicht zu stark belasten will – das ist Sache des Kantons. Niemand hat aber in der Vergangenheit ein Mitmachen des Bundes angezweifelt.

Wohnen betrifft uns alle, die Wohnkosten sind ein grosses Armutsrisiko in der Schweiz und eine hohe Belastung der Haushalte. Das Wohnthema ist allgegenwärtig und spielt bei der Akzeptanz der Personenfreizügigkeit eine grosse Rolle. All dies lässt eine Mehrheit der Kommission auf der Seite und will die Wohnfrage dem Markt überlassen. Was er zustande bringt, zeigt die untenstehende Grafik: Trotz Tiefstzinsen und Nullteuerung, müssen die Mieterinnen und Mieter jedes Jahr mehr für ihre Wohnung bezahlen.

Zwei Statistiken, zwei Aussagen – Mieten steigen weiter

In die Schlagzeilen auf den Online-Portalen schaffte es vorhin einmal mehr die Meldung, dass die Mieten sinken. Tatsächlich: Der Swiss Real Estate Offer Index zeigt an, dass die Angebotsmieten leicht gesunken sind. Wenige Minuten zuvor hat das Bundesamt für Statistik allerdings den Mietpreisindex aller Wohnungen publiziert: Und dort stiegen die Mieten weiter an. Wie alle drei Monate, wenn der Index publiziert wird. In den letzten zwei Jahren stiegen sie alleine um weitere zwei Prozente an.

Die ausgeschriebenen Wohnungen mögen leicht günstiger als auch schon sein. Doch sie sind immer noch viel, viel teurer als die vermieteten Wohnungen und mit jedem Mieterwechsel steigt der Mietpreisindex an, ganz egal, ob der Referenzzinssatz in der Zwischenzeit einmal, zweimal oder dreimal gesunken ist.

Triste Realität.

Kommission blockt: Abbau statt Ausbau beim preisgünstigen Wohnungsbau

Anfang dieser Woche behandeltet die nationalrätliche Kommission die nationale Wohninitiative. Der Bundesrat lehnt diese ab, will aber gleichzeitig einen Rahmenkredit für Hilfen für die Wohnbaugenossenschaften erneuern. Damit könnte wenigstens das bisschen Wohnbauförderung weitergeführt werden, das der Bund heute betreibt.

Was beschloss die Kommission? Nichts – sie verlangt zuerst einen Zusatzbericht. Wozu? Dazu steht leider im Communiqué der Kommission nicht viel. Vielleicht aus gutem Grund – denn Berichte gibt es genug. Die Wohnbauförderung wurde mehrmals evaluiert, eine Kommission mit dem Namen wohnungspolitischer Dialog hat intensiv Massnahmen diskutiert und diese dargestellt. Die eidgenössische Steuerverwaltung untersuchte mehrmals die Wohneigentumsförderung und das Bundesamt für Wohnungswesen unterschiedliche Ansätze bei der Wohnbauförderung. Die Wohninitiative des Mieterinnen- und Mieterverbands schlägt konkrete Massnahmen vor und es ist nicht davon auszugehen, dass die Kommission oder das Parlament weitergehende Vorschläge aufnehmen würde.  

Der Bericht wird genau eine Folge haben: Die Initiative wie Aufstockung des Fonds de Roulement gehen in eine Zusatzschlaufe, Zeit geht verloren. Als Mitglied des Initiativkomitees könnte es mir ja noch recht sein, wenn möglichst lange über die Initiative gesprochen wird. Für den Fonds de Roulement ist eine Verzögerung aber ein grosses Problem. Der bestehende Rahmenkredit ist leer und neue Gelder gibt’s nur, wenn ein neuer Kredit beschlossen wird. Und bis dahin wird die Wohnbauförderung nicht wie von der Initiative gefordert ausgebaut, sondern letztlich abgebaut.

So sieht bürgerliche Wohnpolitik aus.