Wissen Sie, was ein Sanierungstunnel ist?

Letzte Woche hat mir Economiesuisse ihr Argumentarium für eine zweite Gotthardröhre zugeschickt. Nicht verwunderlich, Economiesuisse spricht sich für deren Bau aus. Für eine schönere Benennung der ganzen Chose haben sie Kreativität walten lassen: Konsequent nennt das Papier den 3 Milliarden teuren Bau „Sanierungstunnel“. Was heisst denn das nun? Ist dieser Tunnel bereits beim Bau ein Sanierungsfall? Ist es ein Stollen, um den bestehenden Tunnel zu sanieren? Wird dieser Sanierungstunnel nach der Sanierung des bestehenden Tunnels wieder zugeschüttet? Nein, gemäss Economiesuisse schafft er einen bleibenden Mehrwert, etwa durch ein „reduntantes Verkehrssystem“ welches die Verfügbarkeit der Gotthardstrecke bei Unfällen deutlich verbessert. Oder bei einer weiteren Sanierung in nochmals 40 Jahren.

Ja, die Unfälle, die müssen immer herhalten. Doch in den letzten 10 Jahren gab es pro Jahr weniger als 10 Unfälle im Gotthardtunnel. Diese Zahl rechtfertigt ein sogenannt „reduntantes Verkehrssystem“ sprich Sanierungstunnel oder ganz einfach 2. Röhre bei weitem nicht. Wahrscheinlich wird man dieses reduntante Verkehrssystem dann gerne auch bei Staus gebrauchen. Der Druck, vier Spuren zu öffnen, wird bei Staus auf alle Fälle enorm sein.

Einige Zweifel beschleichen einem auch, wenn ein führender Wirtschaftsverband eine 2. Röhre mit dem Argument des günstigeren Unterhalts befürwortet. Denn nach deren Bau müssen zwei Röhren gewartet werden und Jahrzehnte später zwei Röhren totalsaniert werden. Es braucht keine Rechenkünste um die langfristigen Mehrkosten zweier Röhren zu belegen.

Aber auch bei der Economiesuisse gilt: Papier ist geduldig. Und: Die neue Wortschöpfung „Sanierungstunnel“ zeigt, dass es selbst dem Wirtschaftsverband nicht ganz wohl bei der Sache ist.

Alles paletti?

Ohne Gegenstimmen hat die bürgerliche Seite des Kantonsrats dem Voranschlag 2016 zugestimmt. Es ging ein grosses Aufatmen durch deren Reihen. Endlich – ein schuldenbremsenkonformes Budget! Zu diesem Zweck wurden nochmals 20 Kürzungsanträge des Regierungsrates durchgewunken. Zum Teil im Bereich weniger Zehntausend Franken. Zum Teil auf Grund von Korrekturen, die mit und ohne Beschluss des Parlaments eingetroffen wären.

Aber was ist mit diesem Budget gewonnen? Gut, die Verwaltung muss nicht nachsitzen und der Kanton kann ab 3. Januar weiter investieren – so denn überhaupt noch Geld für Investitionen vorhanden ist. Ansonsten: Die blamable Übung des Kantonsrats zur Einhaltung eines Defizits von 23.xyz Millionen Franken hat gezeigt, dass wir schleunigst umdenken müssen, wenn das Parlament sich wieder seinen Aufgaben hinwendet. Keine Diskussion um wenige Tausend Franken, sondern eine Diskussion um Leistungen, um grössere Linien und natürlich in unserem Kanton über Steuerfuss, Steuergesetz und Schuldenbremse. BudgetPapierflieger1_klein

Übrig bleibt als Rückblick: Im Bereich Bildung und Sicherheit konnten ein paar Grausamkeiten verhindert werden, im Sozialbereich dagegen wurde der Abbau weitergetrieben. Sparen auf Kosten behinderter Menschen, bei der Prämienverbilligung und schlechtere Arbeitsbedingungen – dieses Budget wird am besten als Bastelbogen für Weihnachten oder für anderes verwendet

Ansätze für einen Richtungswechsel gibt es. Die CVP und GLP haben zugesagt, dass sie die Schuldenbremse überarbeiten wollen. Sie haben aber die Karten noch nicht aufgedeckt, wie weit sie dabei gehen wollen. Sie haben ebenfalls festgehalten, dass sie der Steuerstrategie weiter folgen wollen. Ob wir also die Kurve schaffen, ist noch alles andere als klar.

 

PS: Hier die Fortsetzung in der Luzerner Zeitung. Freut mich, dass ich unter der Rubrik Experten auftauche…

 

Steuern: Wir verzichten auf Einnahmen

Gerade ist die neue Statistik zur Ausschöpfung des Ressourcenpotenzials der Kantone erschienen. Klingt kompliziert, letztlich geht es darum, wie hoch die Steuern in einem Kanton im Vergleich zum wirtschaftlichen Potenzial ist. Wir haben wieder einen Sprung gemacht – die politische Frage ist, in welche Richtung…

Der Kanton Luzern liegt nun an neunter Stelle und klar unter dem schweizerischen Schnitt.

RessourcenpotenzialWill also heissen: Wir schöpfen das wirtschaftliche Potenzial weniger aus als andere Kantone. Damit schränken wir aber unsere finanziellen Möglichkeiten mehr ein als andere Kantone dies tun müssen. Die Debatten um Leistungsabbau und kurzfristigen Kürzungen sind eine Folge davon. Unser sogenanntes Notbudget wurde mittlerweilen selbst in der NZZ kritisiert.

Der Kanton Luzern hat im letzten Jahr den grössten Sprung – ich würde jetzt eben sagen: nach unten – gemacht und fast 2.5 Prozent weniger ausgeschöpft als im Jahr zuvor. Man mag argumentieren, dass das höhere Ressourcenpotenzial auf eine wirtschaftliche Stärkung des Kantons hinweist, was grundsätzlich erfreulich ist. Vorsicht ist allerdings angebracht: Der Bund weist darauf hin, dass Luzern ressourcenschwach ist. Unser Kanton hat seinen diesen Tabellenwert nicht zuerst mit einem gestiegenen Ressourcenwert erreicht, sondern wegen der Steuersenkungen im Bereich der Unternehmen.

Wenn ein ressourcenschwacher Kanton auf Steuereinnahmen verzichtet, die Verwaltung verkleinert oder bei der Prämienverbilligung Gelder kürzt, so stellt sich umso deutlicher die Frage: Wem dient diese Politik?

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Jeder Rappen zählt

So haben wir heute das Budget des Kantons beraten. Bei jedem Antrag wurden wir daran erinnert, dass am Schluss die Schuldenbremse eingehalten werden müsse. PFK-Präsident Marcel Omlin hatte es schon im Eintreten gesagt: Es zählt jede Tausendernote. Viele Anträge wurden denn auch nicht mehr inhaltlich diskutiert, sondern es wurde darauf verwiesen, dieses oder jenes liege jetzt halt nicht drin, denn man wolle ein gesetzeskonformes Budget.

Merkwürdig war auch der Sprachgebrauch: Wir hätten ein Notbudget, eine ausserordentliche Situation, die auch spezielle Massnahmen erfordere. Was ist das Ausserordentliche? – Wir erhalten weniger Gelder aus dem Finanzausgleich, das ist alles. Was machen wir, wenn wir in eine echte Wirtschaftskrise schlittern, eine Umweltkatastrophe zusätzliche Mittel verlangt? Keine Ahnung, aber das Wichtigste ist eh: Einhaltung der Schuldenbremse. Ob wir andere gesetzlichen Vorgaben einhalten oder nicht, ist ziemlich schnuppe.

Immerhin, die Erhöhung von Schulgeldern wurde gestrichen, die Erhöhung der Lektionenverpflichtung ebenfalls. Dagegen haben wir im Sozialbereich mit allen Anträgen verloren. Die Prämienverbilligung wird gekürzt, bei den Behinderteninstitutionen weiter gespart, im Asylbereich zu wenig Geld budgetiert.

Weil wir am Schluss drei Millionen zu wenig hatten, um die Schuldenbremse einzuhalten, wurde der Entscheid um eine Woche vertagt. Jetzt machen SVP, FDP und CVP eine Woche lang: Jeder Rappen zählt.