Am Samstag beklagte Redaktor Patrik Müller von den CH-Medien die Untätigkeit des Schweizer Parlaments in der jetzigen Krise. Er wirft den Parlamentarier*innen vor: „Fast bekommt man den Eindruck gewisse Nationalräte seien froh, die Verantwortung an den Bundesrat delegieren zu können.“ So habe in Österreich der Nationalrat an einem Sonntag ein Corona-Gesetz verabschiedet. SP-Nationalrat Cédric Wermuth fand heute in der LZ den Sessionsabbruch überhastet und unnötig. CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider wirft dem Parlament Arbeitsverweigerung vor. Laut werden Forderungen nach einem virtuellen Parlament, das von zu Hause aus Parlamentsdebatten durchführt.
Erstens: Es ist mir ein Rätsel, wie das Parlament nach den Vorgaben des Bundesrates noch in einem Saal von 200 Personen hätte tagen sollen und welches Signal ausgesendet worden wäre. Und ebenfalls ist mir rätselhaft, wie eine Videodebatte mit 200 Personen stattfinden sollte. Digitalisierung und Home Office sind in aller Munde, aber ich möchte dann doch noch gewisse Regeln eines demokratischen Parlamentsablaufs einhalten können.
Und zweitens: Der Vorwurf ist aber auch inhaltlich falsch. Wir haben eine Gewaltenteilung, sie ist fundamental für unser Staatsverständnis und unsere Demokratie. Das Parlament beschliesst Gesetze und die Verwaltung respektive der Bundesrat sind für die Umsetzung dieser Gesetze verantwortlich. Mit dem Epidemiegesetz und dem Finanzhaushaltsgesetz gibt es eine Grundlage für rasches Handeln und weitreichende Kompetenzen für den Bundesrat in Krisenzeiten. Gut so, denn auch der Bundesrat musste jetzt mehrmals innert weniger Tagen Massnahmen verschärfen, ausformulieren und das alles unter höchstem Zeitdruck. Wollte das Parlament diese Rolle übernehmen, so ginge das unter Einhaltung minimalster Regeln doch nur mit einer massiven Zeitverzögerung. Österreich hat sich für einen anderen Weg entschieden, innert wenigen Tagen wurde eine Vorlage mit 46 Seiten Änderungen in diversesten Gesetzen in beiden Kammern beraten und einstimmig verabschiedet. Das mag eine oberflächliche demokratische Legitimität bieten, aber eine seriöse Prüfung aller Änderungen ist in dieser Schnellbleiche nicht möglich.
Natürlich muss und wird das Parlament seine Aufgabe übernehmen. Mehrere Entscheide müssen im National-und Ständerat bestätigt werden. Und dazu brauchen wir rasch grössere Räume, damit die Sitzung auch stattfinden kann, solange die Restriktionen betreffend Abstandhalten gelten.
Mehr Sorge bereitet mir der Überhang an Geschäften, die das Parlament unbedingt behandeln muss. Es fehlt eine Woche der Frühlingssession und die Sondersession im Mai soll ausschliesslich für Geschäfte der Corona-Krise genutzt werden. CO2-Gesetz, Initiativbehandlungen – besonders die Konzernverantwortungsinitiative – die Ehe für alle sind für unser Land wichtig und warten schon lange auf eine Verabschiedung. Das Parlament muss bereit sein, im Sommerhalbjahr weitere Sitzungswochen für Sonderschichten im Plenum wie in den Kommissionen zu finden – mit dem üblichen Rhythmus der Sessionen werden wir den Rückstand nicht aufholen können.
https://www.youtube.com/watch?v=dZ6tZDoNAa4&feature=youtu.be&fbclid=IwAR22l6ycaB60hehUQhx29pk-T2LWIxx876cs9FTus2XHmg0UCLI8bFLiw7o
warum wird das verschwiegen?
Über die Frage der sogenannten Herdenimmunität wird jeden Tag in den Zeitungen diskutiert. Offensichtlich wird die Gefahr, dass trotzdem zu viele Risikopersonen angesteckt werden, als zu hoch eingeschätzt.