Wo Reisezeitgewinne sinnvoll sind – und wo sie wenig bringen

Ein Thema taucht immer häufiger auf: Wir müssten in der Schweiz ein neues Hochleistungs-Bahnnetz bauen um  mehr Leute auf den Zug zu bringen respektive ans europäische Netz angeschlossen zu sein. Ich habe bereits im Winter eine Stellungnahme geschrieben – wollen wir möglichst viele Leute auf die Bahn bringen, so brauchen wir vor allem ein Umsteigen in den Agglomerationen. Dort ist das Potenzial besonders hoch. In einem Postkartenwunsch hat Florence Vuichard in den CH Medien vom Frecciarossa geschwärmt und Bundesrat Rösti aufgefordert, die alten Pläne für die Haupttransversale wieder auszupacken.

Ich habe darauf mit Skepsis reagiert und viele Reaktionen ausgelöst. Einige finden, wir müssten auch in der Schweiz die Reisezeiten über längere Strecken massiv verkürzen. Ich gehe hier gerne konkreter auf diesen Wunsch nach schnellen Verbindungen ein.

Stundentakt und Knoten – eine Schweizer Errungenschaft

Man darf ruhig auch einmal die Schweiz von aussen betrachten: Im Bereich der Bahn löst sie Bewunderung aus. Vor allem der Stundentakt ist eine tolle Sache, umso mehr dort, wo auch die Knoten funktionieren. Will heissen: Die Züge kommen kurz vor der vollen Stunde (oder halben Stunde) an und die Anschlüsse fahren kurz danach ab. Wenn nicht grad ein Zug steckenbleibt, ergibt das sehr gute Verbindungen überall hin. Unser Problem ist aber: In einigen Städten funktioniert dieser Knoten nicht vollständig. So in Luzern, St. Gallen oder in Lausanne. Die Reisezeiten sind etwas zu lang oder die nachfolgenden Strecken passen nicht in dieses System. Also müssen wir schauen, dass diese Reisezeiten verkürzt werden. Dabei reicht es aber, einige Minuten einzusparen und dazu brauchen wir keine durchgehenden Hochleistungslinien. Die bringen zwar noch weitere Reisezeiteinsparungen, die jenen zugute kommen, die genau diese Strecke fahren, doch ganz viele brauchen noch einen Anschluss.

Schnelle Verbindungen bis zur Grenze – und dann?

Immer wieder wird daran erinnert, dass uns mit der NEAT eine Reisezeit Zürich – Milano von gut 2 Stunden versprochen wurde. Es sind heute deutlich über 3 Stunden. Das kann man den fehlenden Zufahrtslinien zum Basistunnel ankreiden. Nur: Früher war es möglich, Lugano – Milano in 1 Stunde zu fahren – wie das Fahrplanbeispiel 1961 zeigt und da gab es noch Grenzkontrollen – heute ist es mindestens 1 Viertelstunde mehr.  Und wer von Luzern kommt, steigt aus dem IC nach Milano aus und ist mit der Regionalbahn eine halbe Stunde schneller. Grund: Die Regionalbahnen haben im Raum Mailand Vortritt. Verständlich aus Sicht dieser Metropole, sehr ärgerlich für unsere international Reisenden. Aber lohnt es sich in einer solchen Situation mit Milliardenbeträgen zum Beispiel im Kanton Schwyz und Uri die Zufahrt zum Tunnel um einige Minuten zu verkürzen? 

Wer bezahlts am Schluss?

Viele sind jeweils enttäuscht, dass ich als Grüner auch finanziell argumentiere. Tja, ich würde liebend gerne mehr Mittel bereit stellen für den nötigen Bahnausbau. Nur: Von allen Fans von Neubaustrecken quer durch die Schweiz habe ich noch nie einen Finanzierungsvorschlag gehört. Ich hoffe, diese Projekte sind zusätzlich zu den bereits beschlossenen Ausbauten gedacht. Man beschäftigt sich lieber mit der Planung neuer Linien und nimmt gerne den Zeichenstift in die Hand, die ordinäre Frage nach der Finanzierung lässt man weg. Dabei hat nicht einmal der Vorschlag der Grünen für etwas mehr Geld zu Gunsten der Agglomerationsprogramme eine Mehrheit gefunden.  Andere Vorschläge sind eine weitere Stärkung der öV-Finanzen, eine Umverlagerung vom Autobahnausbau zur Bahn. Wer aber nicht bereit ist, die Mittel zur Verfügung zu stellen, heizt den Konkurrenzdruck zwischen den Projekten an. Dazu kommt noch die unsägliche Abbaurunde des Bundes, die den regionalen Personenverkehr zwingen würde, rund 8 Prozent einzusparen.

Handwerk ist gefragt

SBB und das zuständige Bundesamt für Verkehr (BAV) haben massive Probleme, die beschlossenen Projekte umzusetzen. So verzögert sich namentlich der Bau des Zimmerbergtunnels, die SBB kündigten an, vor 2033 keine neuen Grossbaustellen an bestehenden Strecken zu eröffnen und der ganze Fahrplan 2035 muss überarbeitet werden, mit einschneidenden Folgen resp. Verschlechterungen, wie es die Eisenbahnrevue detailliert aufzeigt. Der Bahnhofausbau Lausanne ist ein Desaster mit einer komplett neuen Planung. Die Projekte Basel und Luzern sollen etappiert werden. Ich habe schon vor einem Jahr die Frage gestellt, ob jetzt Planung und Bau der beschlossenen Projekte besser laufen oder all diese Negativmeldungen nur zeigen, dass da etwas komplett aus den Schienen gefallen ist. Hier ist auch die Politik in der Verantwortung, genau hinzuschauen und auf eine fristgerechte Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse zu pochen.

Ich meine: Bevor wir über völlig neue Projekte reden, sollten wir die lange Liste der dringlichen Ausbauten erledigen. Ich hoffe sehr, dass ich hier auf die Hartnäckigkeit der Bahnfreund*innen zählen kann.

 

Die wiederentdeckte Liebe zur Geschwindigkeit

Schon immer begeisterten Neubaustrecken für die Eisenbahn Planerköpfe. Wie viele Linien wurden geplant, eingezeichnet, einige dann auch gebaut. Wir haben das auch beim Durchgangsbahnhof erlebt: Ein wahres Planungsfieber mit kühnen, interessanten aber auch abstrusen Vorschlägen.

In letzter Zeit gab es einen neuen Schub: Es soll auch in der Schweiz vorwärts gehen mit Hochgeschwindigkeitslinien. So hat kürzlich der Nationalrat gegen den Willen der Grünen einer Motion zugestimmt, die komplett neue Linien verlangt um ähnlich wie im Ausland mit hohen Geschwindigkeiten die Zentren auf neuen Trassen zu verbinden. Das Projekt läuft unter dem Titel Verkehrskreuz Schweiz. Ins gleiche Horn hat der CH-Media-Redaktor Francesco Benini gestossen. Er sieht es als „jämmerliche Leistung“ an, dass die Züge von Basel nach Zürich eine Stunde brauchen. Was schon mal nicht ganz stimmt, denn halbstündlich verkehren Züge in 53 bzw. 54 Minuten.  Er fordert zum Beispiel eine Verkürzung der Reisezeit von Zürich nach Bern auf eine halbe Stunde.

Die Promotoren des Verkehrskreuz Schweiz argumentieren mit einem hohen Umsteigeeffekt auf die Bahn, wenn Hochgeschwindigkeitslinien gebaut werden, sie argumentieren mit Zahlen des TGV. Aber stimmt das auch? Zuerst: Ihr Vergleich hinkt massiv. Tatsächlich hat der TGV massiv Leute auf die Bahn gebracht. Die Zahlen lassen aber die Vermutung zu, dass sie auf Linien wie Marseille-Paris oder Bordeaux-Paris hauptsächlich vom Flugzeug auf die Bahn und viel weniger vom Auto auf die Bahn umgestiegen sind. Zwischen Bern und Zürich gibt es schlicht keine Flüge zu verlagern.

Kommen auch sonst mehr Leute auf die Bahn dank Hochgeschwindigkeitszügen? Dieser Frage ist auch der Bund nachgegangen mit seinem  Bericht zur Bahn 2050. Er hat darin verschiedene Varianten geprüft. Und er kommt zum Schluss: Ja, Hochgeschwindigkeitszüge bringen mehr Bahnverkehr. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Modalsplit nimmt zu. Aber: Es ist hauptsächlich zusätzlicher Verkehr. Für die Begründung muss man etwas ausholen. Dieser Anstieg ist aber stark darauf zurückzuführen, dass die Leute bei hohen Bahngeschwindigkeiten ihre Reise- und Pendlergewohnheiten anpassen. Es gibt dann vermehrt Berner*innen, die nicht nach Zürich pendeln, sondern bis nach Winterthur oder noch weiter. Und Luzerner*innen pendeln dann vermehrt nicht nur nach Bern, sondern nach Fribourg und sogar Lausanne wird dann erreichbar. Das bedeutet, die Fahrkilometer in der Bahn nehmen stark zu. Das heisst aber noch nicht, dass auch der Autoverkehr abnimmt. Das Konzept Bahn 2050 empfiehlt deshalb eine Konzentration auf den Ausbau der Bahnleistungen bei kurzen und mittleren Strecken, da hier ein hohes Umsteigepotenzial vorhanden ist. Fernverkehrsstrecken sollen gezielt dort ausgebaut werden, wo die Bahn heute gegenüber dem Auto nicht konkurrenzfähig ist. 

Diese Fokussierung ist sinnvoll. Wir erleben dies am Beispiel Luzern. Auf Linien quer durch die Agglomeration ist die Bahn wegen des Kopfbahnhofs sehr lange unterwegs. Paradebeispiel ist die Strecke Emmenbrücke – Ebikon. Gute 7 Kilometer Distanz, mit dem Zug braucht es 20 Minuten und mehr. Kein Wunder, findet der öV in Luzern auch über weitere Strecken auf der Strasse statt, was seinem Tempo aber ebenfalls nicht dienlich ist. Ähnliche  Probleme gibt es in anderen Agglomerationen wie etwa dem Genfersee entlang, wo es dann vor allem an Kapazitäten mangelt.

Die Promotoren dieser Hochleistungsstrecken gehen nie auf die Kostenfrage ein. Oder sie argumentieren pauschal, dass eine Neubaustrecke günstiger sei als das Bauen an bestehenden Strecken. Das mag punktuell so sein, wenn zum Beispiel ein Bahnhof umgebaut werden muss – dafür vergessen sie, dass der Nutzen auch kleiner ist, wenn Neubaustrecken nur ganz grosse Zentren verbindet und alle kleinen und mittleren Stationen auf der Seite lässt. Und vor allem: Sie lassen ausser acht, dass wir auch im Bahnbau nur noch mit sehr vielen Auflagen und grossem Widerstand quer durch die Landschaft Neubaulinien verwirklichen könnten. Eine rote Linie ist rasch mal auf der Landkarte eingezeichnet, aber das ist dann von der Realisierung noch etwas weit weg.

Und nur noch als Nebensatz: Der TGV ist in Frankreich ganz klar ein Erfolgsprojekt. Die Bahnpolitik insgesamt aber schon deutlich weniger. Von Strasbourg ist man in 5 Stunden in Bordeaux. Unglaublich! Wer dann aber 200 oder 300 Kilometer ins Innere Frankreichs geht, kommt mit dem öV kaum noch zurück nach Bordeaux und findet nur noch verlassene Bahnhöfe und stillgelegte Geleise vor.

Wer also wirklich etwas fürs Umsteigen und für die Klimabilanz machen will, der setzt sich dafür ein, dass der öV mithilfe eines Bahnausbaus in den Agglomerationen und zwischen den Subzentren massiv gestärkt wird und er oder sie produziert nicht noch mehr Verkehr durch Hochgeschwindigkeitsangebote.

Klimapolitik und soziale Verantwortung: In der Mobilität im Gleichschritt

Wie das Amen in der Kirche kommt bei jeder klimapolitischen Vorlage von der SVP der Vorwurf: Das kostet und es kostet vor allem die Haushalte mit kleinen Budgets enorm viel. Ja, wir wollen als Grüne solche Kostenfallen und Probleme nicht schönreden. Aber: Wir wollen auch genau hinschauen und zuerst einmal definieren, ob und was fossilfrei und fossilärmer kosten würde. Deshalb hier ein kleiner Faktencheck.

Der öV ist günstiger als das Auto

Gehen wir von einer unverdächtigen Quelle aus: Der TCS rechnet mit durchschnittlichen Jahreskosten von 10’000 Franken für ein Auto – 15’000 Kilometer zu 70 Rappen. Ein Generalabo dagegen kostet heute weniger als 4000 Franken. Der Kostenunterschied ist gewaltig, als öV Benutzer*in kann man grad noch zwei Fahrräder und das Mobility Auto brauchen – man fährt immer noch weit günstiger. Aber auch eine vierköpfige Familie, die Jungen in der Ausbildung kommt mit dem GA günstiger. Und alle vier Personen können noch zusätzlich in verschiedene Richtungen unterwegs sein.

Günstige Autos brauchen weniger Benzin

Es geht nicht ohne Auto, da jemand abgelegen wohnt? Ok – deshalb braucht es noch keinen Benzinschlucker. Autos mit kleinem Energieverbrauch sind auch günstige Autos. Die Kurve nach oben ist eindrücklich. Teure Autos sind viel schwerer, brauchen mehr Benzin und haben keinen ökologischen Vorteil. Rechnet man die Kosten eines Elektroauto auf eine längere Lebensdauer aus, so ist es bereits heute mit dem Benziner mehr oder weniger ebenbürtig und soll in einigen Jahren den Benzinmotor überholt haben.

Fliegen – nichts für kleine Einkommen

Oh, bei einer Flugticketabgabe können Ärmere nicht mehr fliegen? Sie tun es bereits heute nicht. Und zwar nicht wegen den Flugkosten, sondern weil sie sich kaum Ferien leisten können. Im Gegensatz zu den hohen Einkommen können sie nicht mehrere Male pro Jahr einen Städtetripp machen, im Winter Wärme tanken im Süden oder die letzten Naturparadiese auf fernen Kontinenten entdecken gehen. In kaum einem anderen Gebiet sind die Ausgaben derart ungleich nach Einkommensschichten verteilt. Reiche geben neun Mal mehr fürs Fliegen aus als das unterste Einkommensfünftel.

Achtung: öV Kosten sind gestiegen

Blau die Kurve die Ausgaben für den öV, orange jene für den Privatverkehr. Die Haushaltsausgaben für den öV sind im Gegensatz zu den Ausgaben für den Privatverkehr pro Haushalt gestiegen. Das ist einerseits eine Folge des stärkeren öV-Gebrauchs, aber auch Folge von Preisaufschlägen. Wir müssen schauen, dass der öV bezahlbar bleibt, insbesondere für jüngere Menschen. Hier haben wir mit einem Vorstoss ein GA für 1000 Franken vorgeschlagen und auch im Bereich Einzelbillets Vergünstigungen gefordert.

natürlich: Ohne guten öV geht es nicht

Alle Rechenbeispiele bringen nichts, wenn der öV nicht vorhanden ist. Der Ausbaustandard ist vor allem in den Agglomerationen sehr unterschiedlich. Wenn abends um acht Uhr der Bus nicht mehr fährt, auch tagsüber nur ein Stundentakt da ist oder die nächste Bushaltestelle ein Kilometer entfernt ist, dann gibt’s nur ein Achselzucken fürs Umsteigen. Hier sind vor allem die Kantone gefordert. Bei uns in Luzern wurde der öV in den letzten Jahren ausgebaut, aber mit einer immensen Kostenbremse: Die Beiträge des Kantons wurden seit neun Jahren nicht mehr erhöht. Die schwierige Situation in Ebikon ist Folge der knappen Finanzen. Für einen guten öV braucht es auch die Mittel dazu.  Und auf der Landschaft braucht es ein flexibles Angebot wie Rufbusse und Mitfahrgelegenheiten, damit das Auto nicht in jeder Situation zur Notwendigkeit wird.

Gelder Besser einsetzen

Die Infrastruktur ist Voraussetzung und bestimmt das Angebot. Mit dem Nationalstrassen – und Agglomerationsfonds NAF geht ganz schön viel Geld in den Ausbau der Autobahnen und ein viel kleinerer Teil in die Agglomerationsprogramme, mit denen Velo- öV- und andere Projekte mitfinanziert werden. Wir verlangen hier mit einem Vorstoss mehr Geld Richtung Agglomerationsprogramme.

 

Ausbau der Strasseninfrastruktur muss ein Ende haben.

Wenn ich momentan auf Podien über die Klimapolitik diskutiere, übertreffen sich bürgerlicher Politiker*innen mit Bekenntnissen, was sie schon immer für die Umwelt taten: Sie haben in ihren Häusern Fenster ausgewechselt, Wärmepumpen eingebaut oder eine Wand isoliert. Politiker, die im letzten Dezember noch alle fortschrittlichen Massnahmen abschmetterten, finden mittlerweilen das CO2-Gesetz in der Fassung des Ständerates gut. Andere zucken mit den Schultern und meinen, man habe wohl in den letzten Jahren etwas verpasst. Gut so, es kommt Bewegung auf.

In einem Punkt aber, da bewegt sich sehr, sehr wenig: Wenn es um die Automobilität geht, den Ausbau des Autobahnnetzes, dann kommt weiterhin massive Unterstützung: Kein bürgerlicher Politiker, keine Politikerin steht hin und sagt, Schluss mit einer Spange Nord und mit dem Bypass. Man müsse an die Landbevölkerung denken, die doch die Stadt erreichen müsse, es wird auf die wirtschaftliche Bedeutung hingewiesen und auf frühere Ausbauten, die zeigten, dass sie nötig gewesen seien. Der Stau von heute rechtfertigt dann sogar den Ausbau von gestern.

Wenn wir die Klimakrise in grösstem Ausmass abwenden wollen, so müssen wir aber den Mobilitätsbereich ins Zentrum stellen. Im Gebäudebereich und in der Produktion haben wir in den letzten 25 Jahren immerhin einige Erfolge erzielt. Trotz grösserer Bevölkerung und mehr Wohnfläche pro Kopf ist der CO2-Ausstoss fürs Heizen um 25 bis 30 Prozent gesunken. Auch nicht berauschend schnell, aber immerhin gab es Fortschritte. Bei der Mobilität dagegen liegt der CO2-Ausstoss immer noch auf dem Niveau von 1990.

Gemäss Autoindustrie und bürgerlichen Verkehrspolitiker*innen wird die Mobilität fast von alleine auf CO2-neutral werden. In Kürze soll die Hälfte der Neuwagen Elektroautos sein. Und nachher ist das Problem gelöst.

Ist es das? Nein, ganz und gar nicht. Erstens kommt der Umstieg auf E-Autos nicht mit einem Fingerschnippen und zweitens müssen wir unabhängig vom Antrieb die Mobilität viel energieeffizienter gestalten. Wir haben nicht genügend erneuerbaren Strom, um eine stets wachsende Automobilität zu unterhalten. Konsequenz: Wir müssen den öV, Velo und zu Fuss gehen fördern und Fahrgemeinschaften.

Wollen wir diesen Weg einschlagen, so dürfen wir auf keinen Fall die Verkehrsflächen für den Autoverkehr weiter ausbauen. In diesem Sommer hat das Parlament nochmals einen Ausbau bewilligt, ausgerechnet in unserem Raum Luzern wird mit dem Bypass für den Autoverkehr zusätzlicher Raum geschaffen. In der nächsten Runde in vier Jahren darf das nicht mehr geschehen. Die vorhandenen Gelder müssen verstärkt in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und in eine gute Veloinfrastruktur  und Fusswegverbindungen investiert werden. Dazu müssen die Gelder aus dem grossen Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds vom Autobahnbau in die Agglomerationsprogramme umverteilt werden. Mit einem Vorstoss verlange ich eine Erhöhung des Anteils für die Aggloprogramme aus diesem grossen Geldtopf von 13 auf mindestens 16 Prozent. Man darf dann auch noch darüber hinaus gehen.

Veloförderung konkret. Wo es mangelt.

Mein üblicher Weg zum Bahnhof führt über die Motelstrasse und nachher auf dem offiziellen Radweg der Autobahn entlang (hinter dem ehemaligen Pilatus-Markt) und dann via Arsenalstrasse aufs Freigleis.

Am Ende der Motelstrasse muss die Horwerstrasse gequert werden. Im Stossverkehr kann man da ganz schön lange warten. Und man muss der Insel ausweichen, sonst fährt man vier Absätze hoch und nieder. Die Mittelinsel ist eh zu wenig breit, als dass man in zwei Schritten mit dem Velo die Strasse überqueren könnte. Die Linienführung ist unglücklich.

 

 

Danach geht’s vom Trottoir in einer scharfen Linkskurve runter. Das Weglein ist zu wenig breit, als dass zwei Velos oder eine Velofahrerin und ein Fussgänger kreuzen könnten. Als Schleichweg finde ich diese Linienführung , ok. Aber als ausgeschilderter Veloweg ist er ein wenig, na ja, unkomfortabel. Unten dann eine ähnlich scharfe Rechtskurve.

 

 

Dann käme eigentlich ein Stück Veloweg. Zuerst allerdings muss man noch eine Schranke umfahren. Rechts vom Veloweg wurde vor einigen Jahren ein Mehrfamilienhaus gebaut. Und erschlossen wurde es – genau über diese kleine Strasse. Die Garagen stehen rechtwinklig zum Veloweg und die Anwohner*innen müssen über diesen Abschnitt zufahren. Eine unglückliche Kombination und ich habe mich schon beim Bau gefragt, wer diese Erschliessung bewilligt hat. – Und ob diese Person oder dieses Amt den Konflikt nicht gesehen hat.

Nach diesem Abschnitt fahren wir Velofahrenden geradeaus weiter. Doch von rechts droht Gefahr: Autofahrende, die zu diesem Haus wollen, biegen von dieser Seite ein. Die Übersichtlichkeit ist miserabel.

Ich fahre an dieser Stelle immer sehr langsam und weit links, damit ich etwas eher um die Eckes sehe. Doch letzten Samstag hätte es fast gekracht. Eine Autofahrerin kam mit hohem Tempo um die Ecke. Ja – ich schaute sie böse an. Und sie kurbelte das Fenster runter und wollte mich belehren, dass hier Fahrverbot sei, die Strasse nur für Anwohner offen sei und sie Vortritt gehabt habe. Letztes stimmt, wobei ich nicht sicher bin, ob der Vortritt einem die Erlaubnis gibt, ohne Rücksichtsnahme schnell und schnittig Kurven zu nehmen. Und offen gestanden war ich etwas erstaunt, dass eine Anwohnerin die Veloschilder, die keine zwanzig Meter von ihrem Haus entfernt stehen, nicht kennt und der irrigen Annahme sein kann, dass alle Velofahrenden auf diesem Abschnitt illegal unterwegs sind.

Aber mehr verärgert bin ich über die schleppende Veloförderung. Diese Veloverbindung ist ja nicht nur für die sechs Bewohner*innen des Unterstricks, sondern soll boomende Siedlungen an Luzern anschliessen wie die Sidhalde, die Schellenmatt und einen Teil des Schweighofs. Und wenn ich es richtig überblicke, gibt es auch nach der Weiterführung des Freigleises bis zum Mattenhof von dort aus keine weiterführende Veloverbindung zu all diesen neuen Siedlungen. Man muss der Ringstrasse entlang fahren oder über die Kuonimatt wenden gehen.

Ist es tatsächlich auch heute noch eine derartige Hexerei, neue Quartiere von Anfang mit einer guten Veloinfrastruktur zu erschliessen?

Höhere GA-Preise: Treueste Kund*innen verprellen?

Gestern erschreckte eine Meldung die Bahnfahrenden: Das GA solle 10 Prozent aufschlagen, das Hinterlegen des GA verunmöglicht werden (was einen weiteren Aufschlag bedeutet) und das Junioren-GA für Studierende abgeschafft werden. Kurze Zeit darauf versuchten die Transportunternehmen, die Meldung zu relativieren, das sei alles erst eine Idee. Wir Grünen haben eine Interpellation und ein Postulat eingereicht – wir wollen wissen, was der Bundesrat als Eigner des grössten öV-Unternehmen des Landes zu diesen Plänen meint. Und hier geht’s zur Petition der Jungen Grünen.

Ja, das GA ist nicht verbrauchsabhängig und kann als Pauschalpreis falsche Anreize zum Vielfahren schaffen. Aber es ist gleichzeitig ein absolutes Erfolgsmodell und macht den öV einfach zugänglich. Es gehört auch etwas zur DNA der Schweiz. Die Preise wurden in den letzten Jahren mehrfach angehoben und mit den geplanten Änderungen würden sie in einem Bereich liegen, den sich zum Beispiel Studierende nicht leisten können – wie sollten sie jeden Monat 350 Franken alleine für das GA aufwenden?

Es mag stimmen, dass Vielpendler*innen mit dem GA zu sehr günstigen Fahrten kommen und dass Einzelfahrten im Vergleich dazu teuer sind. Ich bin aber skeptisch, ob die Transportunternehmen ausgerechnet die treuesten Kund*innen verärgern und dafür die Preise für Gelegenheitsfahrer*innen senken sollen. Die SBB verfolgen diese Politik seit einiger Zeit: Mit Sparbiletts locken sie die Passagiere auf schlecht ausgelastete Züge – das ist richtig. Wenn aber alle verfügbaren Mittel für Preisvergünstigungen wie Sparbiletts eingesetzt werden, so bestraft man letztlich all jene, die regelmässig und vielleicht auch noch aus Berufsgründen Zug fahren.

Im Zeichen der Klimadiskussionen, einer notwendigen Mobilitätsdiskussion erwarte ich von den Transportunternehmen und den zuständigen Behörden Vorschläge, die zuerst einer Erhöhung des Modalsplits und nicht des Betriebsergebnisses dienen.

Beim Autobahnbau geht der Nationalrat auf Kollision mit dem Klima

Der Nationalrat bewilligte heute den Bypass, einen Ausbau in Lausanne, die Umfahrung Le Locle und hat auch noch eine Umfahrung La Chaux-de-Fonds und in Näfels bewilligt – Projekte, die die Kommission noch reingepostet hatte. Von Klimapolitik war nix zu hören. Infrastrukturen sind wichtig, man wolle nicht verschiedene Verkehrsträger gegeneinander ausspielen, das sei ein Wettbewerb, von freier Wahl war viel die Rede. Keine Rede war aber davon, dass der Autoverkehr vier Mal mehr Energie verbraucht als die Bahn und 20 Mal mehr CO2 produziert. Ach ja, wir haben ja nicht über Klima und Umwelt gesprochen, sondern über Mobilität und das sind nach Meinung der Bürgerlichen zwei total verschiedene Sachen.  Soviel zur berüchtigten Verantwortung, welche die Bürgerlichen in der Klimapolitik übernehmen.

Ich habe einen Rückweisungsantrag für diese Ausbauprojekte gestellt und eine Überarbeitung für eine klimapolitische verträgliche Variante verlangt. In der Kommission war ich noch alleine. Im Rat haben SP und Grünliberale den Antrag grossmehrheitlich unterstützt. Immerhin.

Doch am Schluss kam alles noch viel schlimmer: Der Rat nahm einen Antrag für die Bodensee-Thurtalstrasse an, und obendrein nooch zwei Einzelanträge, einen für die Oberlandautobahn im Kanton Zürich, einen zweiten für den Muggenbergtunnel, von dem nicht einmal Nationalräte aus der Umgebung wussten, wo dieser ist. Die Kommission hatte nie über diese Anträge diskutiert, man wusste nicht einmal, was die Oberlandautobahn kosten soll.

Bauen, Autobahnen und kommende Wahlen sind offensichtlich ein schlechtes Gemisch.

Internationale Bahnverbindungen stärken

Mit einem Vorstoss verlange ich vom Bund mehr Engagement und Vorgaben für die SBB im internationalen Bahnverkehr. Weshalb?

In einem Bericht wurden 2017 die internationalen Bahnverbindungen untersucht. Viele Verbindungen sind in den letzten Jahren besser und schneller geworden. Reisezeitverkürzungen und dichteres Angebot helfen beim Umsteigen vom Fliegen auf die Bahn. Aber: Der Bericht zeigt auch, dass ein Potenzial für Verbesserungen vorhanden ist. Richtung Spanien gibt es keine direkten Verbindungen mehr, Richtung Belgien, England und den Nordwesten von Frankreich könnten mit Weiterführungen von Zügen in Strassburg bis Basel Verbesserungen erreicht werden und in Richtung Italien enden fast alle Züge in Mailand. Wer einen Anschluss braucht, muss auf Grund der schlechten Pünktlichkeit viel Zeit einrechnen. Ein Durchbinden nach Genua, Venedig und andere Destinationen würde diese Linien attraktiver machen.

Der Bund macht den SBB in diesem Bereich kaum Vorgaben. Er verlangt in allgemeiner Form, die SBB müssten ihre Marktstellung stärken und gute Verbindungen zu den Wirtschaftszentren anbieten wie auch die Anbindung an das Hochgeschwindigkeitsnetz. Der Bund soll hier genauer werden und den SBB eine konkretere Vorgabe für das Angebot machen. Und er soll aufzeigen, wie solche Angebote finanziert werden können. Heute müssen diese Linien kostendeckend sein. Angesichts der Flugkonkurrenz sehr schwierig. Und angesichts der Gewinnmeldungen der SBB sollte da etwas drinliegen.

Halbstundentakt Luzern – Bern kommt in…12 Jahren.

Man greift sich an den Kopf: Auch der kleinste Bahnausbau steht für die Luzernerinnen und Luzerner in ferner Zukunft. Neben einem besseren Takt Richtung Ob- und Nidwalden ist der Halbstundentakt zwischen Luzern und Bern die einzige Massnahme im Ausbauschritt 2025 für unsere Region. Doch auch dieser soll erst 2030 kommen. Grund sind für einmal nicht die knappen Kapazitäten im Bahnhof Luzern, sondern Engpässe in der Region Bern. Erst nach einem Ausbau in Wankdorf können auch zur halben Stunde auf dieser Strecke fahren. Das hat der Bundesrat heute auf eine Frage von mir geantwortet. Die einzige Hoffnung ist der Satz: „Im Rahmen der detaillierten Bauplanung wird geprüft, ob zusätzliche Angebote wie der Halbstundentakt zwischen Bern und Luzern allenfalls auch früher eingeführt werden können.“ Man fürchtet wohl zu Recht, dass das nur noch ein Verwedeln ist.

Die Situation ist umso fataler, als Luzernerinnen und Berner heute auch keine sinnvolle Alternative mit Umsteigen in Olten haben. Entweder warten sie sehr lange auf einen Anschluss oder sie verbringen die Strecke Luzern – Olten in einem Regioexpress mit vielen Zwischenhalten.

 

So bleiben denn einige Fragen offen:

Gibt es sonst noch eine Fernverkehrslinie mit einem so hohen Passagieraufkommen und einem Stundentakt?

Der Halbstundentakt ist im Ausbauschritt 2025 enthalten, weshalb wird er nun nicht in dieser Etappe realisiert?

Gibt es keine Möglichkeit für einen Halbstundenakt mit Umsteigen in Olten ohne die heutige massive Verlängerung der Reisezeit?

Weshalb muss der Halbstundentakt Bern – Luzern gegenüber anderen Halbstundentakte hinten anstehen?

 

Den Städten zeigen, wer hier befiehlt

Der Nationalrat hat heute eine Parlamentarische Initiative Rutz angenommen. Sie will den Städten verbieten, auf Hauptverkehrsachsen Tempo 30 einzuführen. Dies unter dem Vorwand, der Verkehr müsse fliessen können und auch die Städte müssten den Verkehr vom übergeordneten Strassennetz abnehmen und der müsse genügend schnell fahren können.

Rutzs Partei die SVP verlangt stets Föderalismus. Da ist diese Forderung merkwürdig, denn sie greift fundamental in die Rechte der Kantone und der Gemeinden in. Die Gemeinden kennen ihre Probleme und die Lösungsmöglichkeiten am besten.

Die Forderung ist aber auch inhaltlich völlig falsch: Tempo 30 kann auch auf Hauptverkehrsachsen sinnvoll sein. Eine Geschwindigkeitsreduktion kann den Lärm entscheidend verringern. Lärm soll an der Quelle vermieden werden, das ist besser als Lärmschutzwände oder der Einbau von Fenstern. Ob auf einem Strassenabschnitt Tempo 30 oder 50 gefahren werden kann, verlängert die Fahrzeiten kaum. Teilweise ist eine tiefere Geschwindigkeit sogar positiv, weil der Verkehr verstetigt wird und der Verkehrsfluss nicht abnimmt.

Die Initiative zielt darauf ab, die Städte zu knebeln und ihre Verkehrspolitik zu torpedieren, die Städte sollen gefälligst den Verkehr von den Autobahnen in die Städte lassen und ja keine Hindernisse aufbauen. Die städtische Verkehrspolitik stört offensichtlich eine Mehrheit des Nationalrats wie auch den Chef des ASTRA.

Es wird Zeit für andere Mehrheiten.