Das Recht auf Stuss

Allenorten wird die Eröffnungsrede des Alterspräsidenten Räto Camenisch im Kantonsrat kritisiert. In der Tat: Sie war zwar nicht schlecht recherchiert und durchaus faktenreich, aber man muss die KantonsrätInnen tatsächlich nicht aufklären wollen, dass es im Kanton Luzern einen Kulturkampf zwischen Konservativen und Liberalen gegeben hat und auch keine Erklärung für die Nichtindustrialisierung oder für den Namen „Leuchtenstadt“ liefern. Es ist auch ziemlich bis ganz geschmackslos, wenn ein (Alters)Präsident alle Parteien qualifiziert und erklärt, weshalb die eigene so toll und eigentlich die einzige richtige ist. Das mögen wir naturgemäss uns nicht anhören. In diesem Sinne: Die Rede war ganz und gar abverheit.
Nur: Man soll es doch bitte dabei belassen. Vielleicht kann man sich überlegen, ob es immer das älteste Parlamentsmitglied sein muss, das als Tagespräsident amtet (braucht es, bis der der / die bisherigeR PräsidentIn wieder gewählt ist). Wer eine Rede halten muss oder kann, hat das Recht, einen Stuss zu erzählen. Es kann ja nicht sein, dass diese Reden zuerst von einer interfraktionellen Gruppe gegengelesen werden.
PS: Camenisch verteidigt sich heute, dass einige seine Rede leider nicht richtig verstanden hätten. Es ist eher das Gegenteil der Fall: Sie wurde nur zu gut verstanden.

Regierung kann kein Ziel sein

Urs Dickerhof will unbedingt nochmals antreten. Obwohl die SVP klar die 20 Prozentmarke bei den Wählerstimmen erreichte, hat Dickerhof bei den Regierungswahlen nur knapp mehr als die Hälfte der Stimmen erhalten, die Yvonne Schärli und Marcel Schwerzmann erhielten. Die Abstände zu Robert Küng und Reto Wyss sind ebenfalls sehr gross. Wo hier die Basis für ein nochmaliges Antreten liegen soll, ist mir schleierhaft. Gemeinderat Dickerhof hat zudem in seiner Heimatgemeinde schlecht abgeschnitten und liegt auch dort nur auf dem sechsten Platz. Nicht wirklich ein Signal für seine Qualifikationen als Exekutivler.

Weshalb auch immer die SVP nochmals antritt…der Einsitz in die Regierung kann nicht das Ziel dieser Übung sein.

Kuriose Planspiele

Thomas Bornhauser propagiert in seinem Kommentar heute, was weiter hinten in der Zeitung dann ausgeführt wird und gestern abend teilweise schon zu hören war: Die SVP soll danke CVP in die Regierung gehievt werden. Er schreibt: „Aufgrund der parteilichen Stärkeverhältnisse gehört die SVP ja klarer denn je in die Luzerner Regierung, wenn der Konkordanz nachgelebt werden soll. Auf diesem steinigen Weg aber ist die SVP auch auf den Sukkurs der Mitte angewiesen, und hier vor allem auf die CVP.“ Ein Päckli soll es geben mit Yvonne Schärli, Robert Küng, Reto Wyss und eben Urs Dickerhof. Solche Planspiele können nur aus dem akuten Frust der stark getroffenen Mitteparteien geboren sein. Hoffentlich hat ihnen eine geruhsame Nacht geholfen, die Realitäten wieder zu sehen:

– Die Stimmbevölkerung will die SVP nicht in der Regierung, das Verdikt ist klar. Wer in einem so bürgerlichen Kanton wie Luzern so wenige Stimmen holt, gehört nicht in die Regierung – auch nicht durch die Hintertür eines Päcklis.

– Marcel Schwerzmann auf diese Art aus der Regierung zu bugsieren finde ich unlauter. Marcel Schwerzmann macht seine Arbeit sicher nicht besonders gut und hat ein paar Mal ein ziemliches Durcheinander angerichtet (Siehe Immobilienstrategie und ZHB) und er hat gegenüber dem Parlament bisweilen ein arrogantes Auftreten (Siehe Verwaltungsratssitz LUKB), und darüber ärgern sich KantonsrätInnen zu Recht. Nur: Das sind keine Gründe, um in einer gemeinsamen Aktion einen Regierungsrat, der nahe beim absoluten Mehr war, abzuschiessen.

– Wenn die CVP oder FDP meint, man könne die SVP in der Regierung einbinden und habe dann etwas Ruhe, so täuschen sie sich. Das ist noch nirgends gelungen. Die SVP fährt ihren Kurs, egal ob sie einen Regierungsrat hat oder nicht.

– Thomas Bornhauser begründet den Sitz für die SVP mit der Konkordanz. Da liegt er falsch: Zur Konkordanz gehört auch, dass man PartnerInnen hat, die sich mindestens ein Stück weit einbinden lassen und nicht einfach, die Sitze nach einem freiwilligen Proporz zu vergeben. Offensichtlich trauen immer mehr StimmbürgerInnen der SVP ein Mitmachen in der Regierung nicht mehr zu respektive betrachten sie eben nicht als konkordanzfähig.

In Ebikon gelten andere Regeln

Wo immer man es hören wollte, Kantonsingenieur Rolf Bättig verkündetete nach seinem Amtsantritt überall, dass in Luzern ein klares Temporegime gelten soll: 80 ausserorts, 50 innerorts. Tempo 30 auf Kantonsstrassen sei mit ihm nicht zu haben, Kantonsstrassen seien zum Fahren da. Wir haben es verstanden, auch wenn wenn wir es nicht ganz begreifen, schliesslich gibt es Gemeinden, die sich stark für Tempo 30 auf gefährlichen Abschnitten von Kantonsstrassen in Ortskernen einsetzen.

Überhaupt nicht verstehen kann ich dagegen, dass die Kantonsstrasse, die durch Ebikon führt, mit Tempo 60 signalisiert ist. Sie sei eine Hochleistungsstrasse, argumentierte der Kanton. In ein paar Monaten geht der Rontalzubringer auf und den umliegenden Gemeinden wurde versprochen, dass sie vom Verkehr entlastet würden. Nur schon deshalb ist doch der Begriff Hochleistungsstrasse quer durch Ebikon komplett widersprüchlich. Es braucht Verkehrsberuhigungsmassnahmen und keine Rennstrecken.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Gemeinderats von Ebikon für eine tiefere Tempolimite abgelehnt, aus formal-rechtlichen Gründen, der Gemeinderat habe kein Recht gehabt, ans Verwaltungsgericht zu gelangen. Das ist schade, aber es eröffnet auch die Möglichkeit, dass die Frage endlich politisch entschieden wird. Das wäre nicht falsch, denn der zuständige Regierungsrat wie auch der Kantonsingenieur haben die Frage ebenfalls als eine politische aufgefasst.

Vielleicht gibt der Wahlsonntag zudem etwas Schub. Gut möglich und zu hoffen, dass nach Max Pfister ein anderer Regierungsrat oder Regierungsrätin etwas mehr Gehör für die Anliegen der Gemeinden in Sachen Verkehrsberuhigung hat. Dann müsste auch der Kantonsingenieur etwas auf die Bremse treten.

Atomausstieg: Ja, aber vielleicht auch nicht

Der Kantonsrat hat mit grosser Mehrheit eine Standesinitiative zum Abschalten von Mühleberg abgelehnt. Nur gerade Leo Fuchs und Dieter Hässig von der FDP stimmten zu, alle anderen bürgerlichen haben sie abgelehnt.

Die CVP war nicht einmal bereit, den Vorstoss in der unverbindlicheren Form eines Postulateszu  überweisen. Dazu mussten wir Grünen uns noch anhören, unser Vorstoss sei populistisch. Die CVP und auch die FDP wollen zwar auch den Atomausstieg, hat sich aber in der Debatte dann doch nicht klar geäussert, wie und wann dieser geschehen soll. Stattdessen hat man die Grünen kritisiert.

Sollte hinter dieser Ablehnung der Standesinitiative und auch dem Angriff der CVP in der Neuen LZ auf die Grünen eine Strategie stecken, so könnte sie eine ziemlich schlechte sein. Wir freuen uns über die Aufmerksamkeit und danken für die gesponserte Wahlwerbung. Die Haltung der CVP wird aber auch geradezu schon in klassischer Weise MitterechtswählerInnen zu den Grünliberalen treiben. Wer eine derart diffuse Haltung zum Atomausstieg hat, muss sich nicht fragen, weshalb er Wähleranteile an andere Parteien verliert.

Auch die CVP war doch schon immer…

Heute lesen wir in einem halbseitigen Inserat von der CVP, der Atomausstieg müsse kommen, aber bitte durchdacht und geordnet. Schön, dass die CVP das jetzt auch so sieht, etwas komisch aber, dass sie dies der Bevölkerung via Zeitungsinserat mitteilen muss. Oder nicht auch nicht so komisch: Als die Grünen im letzten Herbst über die Frage neuer Atomkraftwerke im Kantonsrat eine Debatte wollten und verlangten, dass auch in Luzern wie in anderen Kantonen eine Konsultativabstimmung durchgeführt werden müsste, hat die CVP noch abgeblockt, der Vorstoss wurde nicht dringlich behandelt. Als er dann im Januar traktandiert war, wollte sich die CVP inhaltlich nicht äussern.

Jetzt verkauft die CVP ihre Kehrtwende mit einem Angriff auf uns Grünen, weil wir eine schnelle Abschaltung des unsicheren Reaktors Mühleberg fordern und das nur populistischer Wahlkampf sei. Auch dies macht sie via Inserat, was an sich ein bisschen ein Paradoxon ist (mit Wahlinseraten anderen Wahlkampf vorzuwerfen…).

Wir werden sehen, wer nach den Wahlen nach wie vor zu einem konsequenten Einsatz für eine Energiewende bereit ist. Die CVP hat bei einigen Themen mitgemacht, bei der Förderung von erneuerbaren Energien im Kanton Luzern oder beim Gebäude-Förderprogramm. Das war gut, sie hat aber in vielen Bereichen grad auch nicht mitgemacht, wie gestern bei der Ökologisierung der Motorfahrzeugsteuer oder der Frage, ob energetisch besonders schlechte Gebäude nicht halt mal mit einer Sanierungspflicht belegt werden müssen. Das ist dann weniger gut. Wollen wir aber AKWs abschaffen und gleichzeitige eine vernünftige Klimapolitik machen, so brauchts noch einiges mehr. Ziemlich viel mehr.

Die Experten der Neuen LZ

Gestern durfte einmal mehr Reiner Eichenberger zur Diskussion um den Erhalt der LUKB Aktien Stellung nehmen. Eichenberger ist ein gern gesehener „Experte“ in der Neuen LZ und stramm neoliberal unterwegs, mindestens schätze ich ihn so ein. Heute darf ein zweiter „Experte“ Stellung nehmen. Es ist dies Hans Geiger, der einmal kurzfristig Ständeratskandidat der SVP Zürich war. Natürlich findet auch er, man solle die LUKB-Anteile verkaufen.

Ich verstehe ja, dass im heutigen Artikel, in dem fast alle Politiker sagen, dass sie die Aktien nicht verkaufen wollen, noch eine Stimme für den Verkauf zu Wort kommen musste (sonst hätte sich ja gezeigt, dass die ganze Geschichte viel zu gross gefahren wurde), aber man dürfte trotzdem erwarten, dass auch bei Experten auf etwas mehr Ausgewogenheit geachtet wird.

Der Verkauf von Aktien ändert nix an der Finanzlage

Kantonsrat Hans Aregger möchte die Aktien der Kantonalbank, die im Besitz des Kantons sind, verkaufen. Mit dem Geld könne man dann verschiedene Grossprojekte finanzieren, wie etwa der Seetalplatz oder der Tiefbahnhof.

Die Idee hat nicht nur einen, sondern grad mehrere Haken.

Sie ist finanztechnisch ziemlich kurzsichtig: Natürlich können wir Aktien gegen Bargeld tauschen und damit etwas anderes bauen oder kaufen. Nur: Was spielt es für einen Unterschied, ob man Aktien verkauft und damit inskünftig auf Erträge verzichtet oder ob man einen Kredit aufnimmt und inskünftig Zinsen zahlt? Unterm Strich ist das gehüpft wie gesprungen.

Sie ist wirtschaftspolitisch falsch: Zwar kann unser bekannte Professor für Verkauft-möglich-Alles-Was-Dem-Staat-Gehört Reiner Eichenberger schon behaupten, mit einem Verkauf mindere der Staat seine Risiken. Aus meiner Sicht ist das Gegenteil der Fall: Solange der Kanton die Aktienmehrheit hat, kann er die Kantonalbank auf einem einigermassen sicheren Kurs halten. Es war ja nicht die Kantonalbank, die bei der letzten Krise durchgefüttert werden mussten, sondern eine bekannte Grossbank.

Und es ist auch finanpolitisch intransparent: Mit der Argumentation, man könne einfach eine Staatsbeteiligung verkaufen und habe dann eine Menge Geld zur Verfügung (umgestalteten Seetalplatz! einen Tiefbahnhof! moderne Spitäler!) verabschiedet man sich von einer transparenten Finanzierung, die den LuzernerInnen aufzeigt, was wieviel kostet. Unsere Investitionen sollten wir aus laufenden Erträgen finanzieren und nicht über Einmalaktionen. Die sind eben dann wirklich einmalig.

Es ist aber auch aus Sicht des Luzerner Gewerbes falsch. Analog der Stromsituation höre ich schon die Stimmen ein paar Jahre nach dem Verkauf: Die Kantonalbank vergibt keine Kredite mehr ans Kleingewerbe oder nicht in jenem Masse, wie das gewünscht wird. Man jammert dann, dass die Politik so gar keine Mitbestimmung mehr habe.

ZHB: Regierungsrat beschönigt Situation

Die Verschiebung des Umbaus der Zentral- und Hochschulbibliothek bringt ein Projekt zum Stoppen, das bereits angelaufen ist. Dies führt zu Mehrkosten, was auch Regierungsrat Marcel Schwerzmann in der Zeitung zugeben musste. Auf eine schriftliche Anfrage von mir wurden nun diese Mehrkosten aus meiner Sicht schwer geschönigt: Der Regierungsrat geht davon aus, dass lediglich die Bauteuerung dazu kommen wird, und setzt für diese 1 Prozent ein. Das ist etwas kurios, hat man doch heute mit meinem Vorstoss im Kantonsrat fast zeitgleich über die massiven Mehrkosten beim Rontalzubringer diskutiert, die ebenfalls auf der Bauteuerung basieren, die aber bei 3 oder 4 Prozent lag.
Kurios ist aber vor allem, dass der Regierungsrat in der Antwort verschweigt, dass die Verzögerung zu massiven Mehrkosten im Bereich der Provisorien führen wird. Gemäss Botschaft zum Umbauprojekt soll die Verwaltung, die Ausleihe und der Lesesaal während der Umbauzeit in die heutige Rechtsbibliothek am Hirschengraben gezügelt werden. Diese wiederum zügelt im Sommer in das Uni-Gebäude. Entweder lässt man jetzt diese Räume zwei Jahre lang leer, damit sie dann in zwei Jahren bei Umbaubeginn immer noch zur Verfügung stehen – und zahlt also zwei Jahre länger Miete für diese Räume – oder man gibt die Miete auf (mit welcher Kündigungsfrist?) und versucht aufs Geratewohl bei einem Sanierungsbeginn in zwei Jahren neue provisorische Räume zu mieten. Ob so grosse Räume dann für die kurze Zeit von rund zwei Jahren gemietet werden könnten, ist wohl eher fraglich.
Die bürgerliche Ratsseite hat zwar teilweise auch etwas gemault – mit der löblichen Ausnahme von CVP-Kantonsrätin Erna Müller, die die Sachen beim Namen nannte – aber sie will auch nicht für dieses Desaster hinstehen. Den eigentlichen Scherbenhaufen werden wir dann im Herbst mit dem neuen Budget und der Finanzplanung sehen, wenn klar wird, dass fast alle Projekte im Bereich Hochbau um Jahre verschoben werden respektive gar nie realisiert werden können.

Einzelkämpfer in der Regierung

Lukas Nussbaumer schreibt heute treffend in der Neuen LZ, die Regierung hätte zu Max Pfisters Wunsch, LUKB-Verwaltungsrat zu werden, auch nein sagen können. Und dies zu seinem Wohle. Der Entscheid, ihn als Verwaltungsrat vorzuschlagen, mag etwas Kumpanenhaftes an sich haben, und ihm ein gutes Nebeneinkommen in seinem Rentnerdasein sichern. Gleichzeitig hat es es aber auch etwas Gleichgültiges. Dass der Entscheid weitherum auf Kopfschütteln stossen würde, muss der Regierung klar gewesen sein. Aber so lange nur über Max Pfister und nicht über die Regierung der Kopf geschüttelt wird, ist dies ihr scheinbar egal. Man würde doch etwas mehr Gemeinsinn in einer Regierung erwarten.
Etwas mehr Gemeinsinn würde man auch beim zweiten Brennpunkt dieser Woche, bei den kantonalen Immobilien, erwarten. Da präsentierte Marcel Schwerzmann vor einem Jahr eine Immobilienstrategie, die zwar schön aussah, aber unmöglich zu finanzieren ist. Das wusste eigentlich jeder, der sie gelesen hat und dies wurde auch im Parlament selbst von bürgerlicher Seite moniert. Man dürfte erwarten, dass auch die Regierungsmitglieder das Strategiepapier gelesen haben und gemerkt haben, dass die aufgeführten Aufgaben im Immobilienbereich hinten und vorne nicht mit der strikten Finanzpolitik des Kantons zusammenpassen. Man schickte das Papier aber auf seinen Weg durch die Politik. Kein Jahr später ist die Immobilienstrategie futsch, der Fahrplan der verschiedenen Projekte komplett in den Sternen. Macht nix, wird sich die Gesamtregierung denken, hinstehen muss ja der Verfasser Marcel Schwerzmann.
Man fragt sich ob dieser Vorgänge, ob der Regierungsrat als Rat funktioniert und würde sich erhoffen, dass statt Einzelkämpfer ein Team spürbar würde. Vielleicht eine zu grosse Hoffnung, es handelt sich ja um ein politisch durch Wahlen zusammengesetztes Gremium. Trotzdem: Der 10. April dürfte Gelegenheit sein, das Team neu zusammenzusetzen und dabei auf die Teamfähigkeit der Kandidierenden zu achten.