Käufliche Politik

Es sind richtige Wellen der Werbung, die das Krienser Tal diese Tage und Wochen überrollen. Überall lächelt uns in Tracht und mit Schweizerfahne Yvette Estermann entgegen. Ich bin beim Zählen aus dem Tritt gekommen und weiss nicht mehr, ob heute das dritte, vierte oder gar schon das fünfte Flugi ins Haus flatterte. Plakate dazu, ganzseitige Inserate in der Neuen LZ.

Gut, ich bin etwas befangen als Mitkandidat und setze mich vielleicht dem Vorwurf der Griesgrämigkeit oder des Neides aus. Aber: Was hier abgeht, finde ich aus demokratischen Überlegungen jenseitig. Ein Neue-LZ-Inserat: Sicher Fr. 8000.-. Ein Flugblatt für ganz Kriens: Mindestens Fr. 3000.- eher aber einiges mehr in dieser Hochglanzart. (Rechne mal 3, 4 oder 5?) Dann Plakate in der ganzen Agglomeration und wohl noch weiteres. Zusammengezählt: Dieser Wahlkampf – wie übrigens einige andere bürgerliche auch; so ist zum Beispiel Georges Theiler seit Wochen mit Inseraten im 20 minuten präsent – kostet einige Zehntausend Franken wenn nicht gar über 100’000 Franken. Wir werden es wohl nie erfahren, da die finanziellen Aufwändungen der Parteien und Kandidierenden leider nicht offengelegt werden müssen. Die SVP predigt sonst immer die reine Demokratie, lobt Gemeindeversammlungen als Hort der richtigen Entscheidfindung und pflegt ein Bild der einfachen, reinen Schweiz, wo nichts, ausser der Diskussion und des Beratschlagens die Entscheidungsfindung trüben soll. Selber aber buttert sie Geld in den Wahlkampf, als ob Sitze gekauft und nicht in der Wahl errungen werden müssten. Wer kein Geld hat, muss bei den Bürgerlichen gar nicht erst zur Wahl antreten.

Ich hoffe, dass der Kanton Luzern bald über eine Regelung diskutiert, die von den Parteien und Kandidieren verlangt, dass sie ihre Wahlbudgets offenlegen müssen. Wenn sies nicht tun, soll man ihnen die staatlichen Zuschüsse streichen – als mildeste Variante. Die Bürgerlichen  geben regelmässig bei Nachfragen von Medien Zahlen an, die um einen Faktor X zu tief sind, leider werden diese jeweils ohne kritische Nachfrage abgedruckt. Da braucht es eine andere Art der Offenlegung.

Überwachungsstaat à la Neue LZ

Wenn an allen möglichen und unmöglichen Orten Überwachungskameras installiert werden, so kommentiert die Neue LZ regelmässig: Das ist alles kein Problem, denn wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, wer sich an die Gesetze hält, hat überhaupt nichts zu befürchten. Wenn aber irgendwo ein weiterer Radarkasten aufgestellt wird, ist von der Neuen LZ ein Aufschrei zu hören. Dann wird von Abzockerei, übertriebenen oder falschen Massnahmen geschrieben. Dabei tun Radarkästen auch nur jenen weh, die sich nicht an die Regeln halten.

Auch der Hinweis der Neuen LZ, Falschparkierer seien doch kein grosses Problem, stimmt mindestens aus Velofahrersicht nicht: Immer wieder erlebe ich, wie eng es zum Beispiel im Neustadtquartier wird, wenn Automobilisten ihren Wagen einfach auf der Strasse stehen lassen oder wenn auf der Zentralstrasse Autos auf dem Velostreifen anhalten. Velofahrende müssen ausweichen und es entstehen gefährliche Situationen. Mir stinkts, wenn diese Probleme verniedlicht werden.

P.S. Dies ist einer jener Leserbriefe, die nie abgedruckt wurden…

Mediale Perpetuum Mobiles

Heute fordert die Neue LZ endlich einen Themawechsel. Die Linken und Mitteparteien hätten der geschickt orchestrierten SVP-Kampagne um Komplotte und Geheimpläne nur zugesehen. Tja. Was sollten wir sonst machen? Auch noch ein paar Skizzen malen? Oder was wird erwartet?
Letztlich sollten sich auch mal die Medien an der Nase nehmen. Sie haben sich auf diese Komplottgeschichten gestürzt um dann treuherzig zu verkünden, es wäre besser, sich den eigentlichen Themen zuzuwenden. Der Tagesanzeiger machte dies zum Beispiel in einem Kommentar (der sinngemäss den Titel trug: Jetzt nicht den Kopf verlieren), den er fünfspaltig oben auf die Titelseite setzte – das Layout wird nur bei ganz speziellen Anlässen gebraucht. Damit gab er dem Thema ein Gewicht, das er ihm gleichzeitig im Text gleich wieder absprach. So macht man das. Auch in der Neuen LZ kochte man die Sache hoch um jetzt darauf hinzuweisen, dass es darum ging, dass die SVP-Wähler durch diese Kampagne „diszipliniert an die Urne gehen“. Na bravo, da haben die Medien ja ganz schön mitgeholfen.
Bleibt letztlich der Trost, dass solche Geschichten die Leute zwar auf Grund ihres Unterhaltungswertes interessieren, dass sie aber für viele nicht wahlentscheidend sind – weil sie sich eben doch mehr an Sachfragen orientieren.

Calancatal – Wie wirds weitergehen?

Nun, die Ferien im Calancatal waren sehr schön, auch wenn die Woche mich lehrte, dass es auch auf der Alpensüdseite tagelang schlechtes Wetter sein kann…
Einkaufen ist etwas Glückssache, respektive eben eine Planungsfrage, es sind noch zwei Läden im ganzen Tal übrig geblieben, doch die Fortbewegung funktioniert bei ebenfalls guter Planung recht gut: Es gibt etwa alle zwei Stunden ein Postautokurs, man kommt also ganz gut vorwärts. Allerdings waren wir oft die einzigen Gäste…Trotzdem: Nach meinem Besuch im Calancatal finde ich die Idee der Avenir Suisse, gewisse Alpentäler aufzugeben, nicht mehr überlegenswert. Sie geht von einer zu engen wirtschaftlichen Sichtweise aus.
– Die Infrastrukturkosten mögen zum Teil recht hoch sein, doch etwa im Vergleich zu den Verkehrskosten in der ganzen Schweiz machen sie nur einen kleinen Bruchteil aus. Die Schweiz ist ein reiches Land und es geht uns gut. Vielleicht gerade deshalb, weil wir gewisse Ausgleichsmechanismen auch zwischen den Regionen geschaffen haben, die Unterschiede nivellieren und Spannungen abbauen helfen.
– Wird beim öffentlichen Verkehr gespart, kommen zusätzlich jene unter die Räder, die sich ökologisch verhalten, in der Nähe Ferien machen und nicht das Auto benützen. Zu fragen wäre, ob sich nicht ein Rufbus-System lohnen würde, vielleicht wäre dieses sogar effizienter. Allerdings wird das Postauto auch als Schulbus zur einzigen Schule im Tal benutzt. Trotzdem…
– Gewisse Strukturanpassungen sind schon längst gelaufen. Ich hatte den Eindruck, dass die Landwirtschaft moderner ist als im Kanton Luzern. Überlebt haben – so siehts mindestens aus – einige grössere Landwirtschaftsbetriebe, das Bild vom Bauern mit ein paar Geisslein ist mir nirgends begegnet. Wird auch diesen Bauernbetrieben der Hahn zugedreht, ist dem Landschaftsschutz sicher nicht gedient – auch nicht den verbliebenen Touris: Nur durch Wälder wandern, ist nicht das, was man sich wünscht.
– Etwas fraglich erscheint einem als Unterländer, dass sich die 800 (?) CalancerInnen noch nicht zu einer einzigen oder wenigstens zu zwei Gemeinden zusammenfinden konnten. Man fragt sich, wie die heute komplexen Aufgaben einer Gemeinde von Gemeinschaften mit zum Teil unter 100 EinwohnerInnen bewältigt werden können. Zur Überwindung von jahrhundertelanger Eigenständigkeit bräuchte es vielleicht etwas mehr Druck von aussen. Die Dimensionen sind ja noch etwas anders als hier im Kanton Luzern, wo wir Grünen uns gegen Zwangsfusionen wehrten. Aber irgendwie erscheint einem die Frage im Calancatal auch bedeutend zugespitzter zu sein.
Kurzum, ich hoffe, dass ich auch noch in zehn Jahren im Calancatal Ferien machen kann, dass das Postauto weiter fährt und vielleicht sogar das eine oder andere Dorf wieder einen Laden erhält.

Einfach weg!

Kaum hat einmal ein Beitrag sagenhafte zwei Kommentare erhalten (siehe unten), fahre ich weg. Keine Flucht, nein, einfach Ferien. Ich kann also bis am 30. September hier nichts mehr schreiben und auch keine Kommentare von Euch freischalten. Schreiben ist natürlich trotzdem erlaubt…ihr müsst Euch einfach etwas gedulden, bis die Kommentare sichtbar werden. Gute Zeit! Da ich ins Calancatal fahre, kann der nächste Beitrag ja von der Frage handeln, ob die strukturschwachen Bergtäler nicht am gescheitesten ganz aufgegeben würden, wie es die Economiesuisse mal vorgeschlagen hat. Nicht einfach nur abwegig. Soviel zum Voraus.

Die Werbung zeigts: Frauen und Schwule kaufen keine Bäder!

Übrigens, es gibt nicht nur Wahlsachen im Briefkasten (siehe unten) sondern heute kam ein Prospekt des „Keramiklandes“ mit dem sinnlichen Titel „Philosophie des Wohlbefindens“. Verkauft werden unter diesem doch nachdenklich stimmenden Titel Badeinrichtungen. Scheinbar werden diese weiterhin nur von Männern gekauft – von heterosexuellen Männern. Sind doch in diesem Prospekt sieben Bilder mit halbnackten Frauen zu finden. Männer hats nur auf einem und dann noch unter dem Titel „Farbtherapie“ (haben wir sowas wirklich nötig?). Ich meine, das war schon in meiner frühen Pubertät ein Thema: Weshalb ist der Unterwäsche-Teil von Modekatalogen für Frauen immer viel länger als jener für Männer? Drum, wenn ich Nationalrat würde, wäre eine meiner ersten Forderungen mehr Gleichberechtigung im Bereich der halbnackten Werbung.

Sind wir alle doch ein bisschen käuflich?

Endlich – der Briefkasten ist nach einer langen Flaute wieder etwas voller. Fast täglich trudelt momentan Post ein von Verbänden, Organisationen und Vereinen, welche uns NationalratskandidatInnen befragen oder beurteilen wollen. Gestern war nun der Luzerner Kantonalschützenverein an der Reihe. Man erhielt einen Fragebogen – ich fülle ihn vorsorglich gar nicht aus, man stelle sich die Schlagzeile vor: „Michael Töngi vom Schützenverein unterstützt.“… – und im Brief wurde weiter erklärt: „Wir werden uns erlauben den Kandidatinnen und Kandidaten die unsere Unterstützung beanspruchen, einen Kostenanteil für Druck- und Versand von SFr. 500.- in Rechnung zu stellen.“ Gesinnung alleine genügt heute also nicht mehr – das ahnten wir doch schon ganz verschwommen, es braucht Cash, um unterstützt zu werden. Damit betätigen sich die Verbände selber in einem üblen Spiel: Politik wird von jenen gemacht, die es sich leisten können. Das sollte eigentlich grad nicht die Linie von Verbänden sein, die doch selber von Gratisarbeit leben.
PS. Die Unart, für Unterstützung Geld zu verlangen, betrifft nicht nur den Schützenverein, wenn ich mich richtig erinnere, macht die Neue europäische Bewegung Schweiz dasselbe.

CVP: Mittelmass in Matemadik?

Sensationell: Die CVP holt zum fulminanten Spurt auf und gewinnt nach einer Wahlprognose volle 0.6 Prozent gegenüber von vier Jahren. Sie landet jetzt bei fantastischen 15 Prozent und glaubt schon, dass sie jetzt voll Rohr einen zweiten Bundesratssitz fordern kann. Nur weil sie die FDP um irgendwie 0.1167 Prozent überholt – oder sowas ähnlichem. Mathematik scheint dabei nicht gerade die Stärke der CVP zu sein. Gemäss Umfragen erhalten die Grünen über 10 Prozent der Stimmen. Geht es nach rechnerischen Grundsätzen, so ist klar, dass bei dieser Konstellation ein Sitz an die Grünen gehen muss. Die CVP muss sich schon noch etwas stärker sputen, um eine Berechtigung für einen zweiten Sitz reklamieren zu können.

Ich bin gespannt

Am letzten Samstag verkündete die kantonale FDP in einem Zeitungsinserat, dass Neubauten und umfassende Sanierungen neu einen Energiewert “ähnlich dem von Minergie” erreichen müssten. Gut so! Die Grünen werden die FDP bei der Behandlung ihrer kantonalen Klimainitiative beim Wort nehmen, denn insbesondere bei Sanierungen ist dieses Ziel richtig, aber nach wie vor ambitiös. Was werden die Hüslibesitzer innerhalb der FDP sagen?
Noch vor kurzem wollte die gleiche Partei nicht einmal etwas davon wissen, dass bei öffentlichen Bauten diese Standards gelten sollen, verschiedene Vorstösse der Grünen wurden in Luzerner Parlamenten abgelehnt. Wenn das mit dem Gesinnungswandel so weiter geht, wird sich bald wirklich etwas in der Klimapolitik wandeln – und die Grünen grün überholt? Ich bin gespannt.

Roschachers Test

Früher gabs doch diesen Rorschacher Test. Irgendwelche Tintenklekse mussten interpretiert werden, man sah darin Ungeheuer oder himmlische Engel und wenn man möglichst viel Beklemmendes drin entdeckte musste man zur Belohnung nicht ins Militär. Mehr weiss ich nicht mehr von diesem Ding. Mit den neuesten Erkenntnissen (?) zur Entlassung des Bundesanwaltes Roschacher verhält es sich ähnlich: Jeder liest etwas total anderes, Geheimplan? Stümperhafte Rachegedanken eines gefallenen Bankiers? Naive Nationalratskommission? Fallenstellende SVP? Man nimmt es eher etwas amüsiert zur Kenntnis, unsereiner kann sich ja zurücklehnen und mal beobachten, was noch geschehen wird. Staatsaffäre? Sturm im Wasserglas?
Klar bei der ganzen Sache ist aber: Bundesrat Blocher hat es in seinem Streit mit Roschacher mit der Gewaltenteilung nicht so ernst genommen, er hat Weisungen gegeben, die ihn nichts angingen und er hat Regeln nicht eingehalten. Das ist in diesem konkreten Fall wie auch in anderen schon seit längerem bekannt. Und das genügt auch. Für eine Abwahl.