Bundesratswahlen: Auf Wiedersehen im 2011

Dass Simonetta Sommaruga letztlich glanzvoll gewählt wurde, freut mich. Eine Konsenspolitikerin, die ich hoch einschätze und der ich zutraue, ruhig und mit Offenheit im Bundesrat gute Arbeit zu leisten. Johann Schneider-Ammann, da wird man sehen, was sein Patron-Image genauer für seine Politik bedeutet.
Froh bin ich, dass die Grünen im Hinblick auf die Bundesratswahlen 2011 einige Pflöcke eingeschlagen haben und dieses Mantra, man kandidiere nur für einen dritten linken Sitz und nie gegen die SP, aufgegeben haben. Die bisherige Nibelungentreue zur SP war mir doch etwas zuviel. Wir haben jetzt gehört, dass durchaus auch die Variante mit einem grünen und einem SP-Sitz in Frage kommen sollte. Alles andere ist auch etwas komisch: Das mit den drei linken Sitzen ist ja nett, aber komplett unwahrscheinlich. Es wird weder die dazu nötigen Wählerverschiebungen geben noch wird unser Regierungssystem zum Beispiel in eine Mitte-Links-Koalition umgebildet. Das Überlassen von zwei Sitzen an die SP kann letztlich nur so gedeutet werden, dass die Grünen nicht in die Regierung wollen.
Was mit Parteien passiert, die in der Schweiz nicht in die Regierung wollen, ist auch klar: Sie wählen den Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Wie man die Transparenz verwedelt…

Manchmal kann auch eine parlamentarische Kommission (unfreiwillig?) humoristische Einlagen produzieren. So etwa die staatspolitische Kommission des Nationalrats. Sie musste über eine Initiative entscheiden, die verlangt, dass ParlamentarierInnen ihre Einkünfte aus beruflichen und anderen Tätigkeiten angeben müssen. Die Kommission lehnt dies ab und begründet: „Die Initiative geht gemäss Ansicht der Kommission von der falschen Auffassung aus, dass sich ein Ratsmitglied umso mehr einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Organisation verpflichtet fühlt, je mehr Geld es von dort bezieht. Die Parlamentsmitglieder müssen sich jedoch ihren Wählerinnen und Wählern zur Wiederwahl stellen und nicht ihren Geldgebern.“
Wenn man sieht, welche Geldsummen je nach Lobbyingauftrag oder Verbundenheit mit einer Firma oder Branche fliessen, sind diese treuherzigen Ausführungen geradezu rührend.

Eine Notwendigkeit, dass es die EU gibt

Gute zwei Wochen sind wir durch Rumänien gereist und haben verschiedene Städte in Siebenbürgen, aber auch Dörfer besucht. Eindeutig, das Land leidet stark unter der Wirtschaftkrise, die kleinen Saläre und Renten wurden noch einmal gekürzt und die Mehrwertsteuer von 19 auf unglaubliche 24 Prozent erhöht. Viele Menschen leben mehr oder weniger von ihrem Garten und Kleinsteinkommen aus Landwirtschaft und schlecht bezahlten Jobs. Nichts Unbekanntes, aber deswegen auch nicht Beruhigender. Bei einer Umfrage gaben noch 19 Prozent der Bevölkerung an, den heutigen Präsidenten wiederzuwählen, Ceausescu dagegen würde laut Umfrage von 41 Prozent der Bevölkerung zum Präsidenten gewählt. Auch dies kein beruhigendes Signal für einen Staat, der den Weg in die Zukunft sucht.
Rumänien ist seit einigen Jahren Mitglied der EU. Einiges an Enttäuschung kommt daher, dass die Fortschritte langsamer sind als erhofft und jetzt sogar Rückschläge eintreten. Aber: Was würde mit einem Staat wie Rumänien geschehen, wenn es die EU nicht gäbe? Ich befürchte, dass diese Verunsicherung und Enttäuschung noch viel stärker von extremistischen Politikern genutzt werden könnte, dass Korruption noch mehr zunehmen würde und unabsehbar wäre, wohin das Land driften würde. Wir können froh sein, dass sich andere ganz konkret darum kümmern, dass Europa zusammenhält und eine rechtsstaatliche, wirtschaftliche aber auch demokratische Perspektive bietet.

PS: Und damit kein falsches Bild entsteht: Wir haben in diesen Ferien in Rumänien viele Menschen gesehen und mit einigen gesprochen, die mit Engagement und Elan etwas aufbauen, sich weiterbilden und an einer Zukunft mitbauen. Nur nicht dass das Bild entsteht, Rumänien hänge sich jetzt einfach an den Brüsseler Tropf.

Wo sind all die Bäume, wo sind sie geblieben?

Der Sturm am letzten Donnerstag hatte es in sich. Ein beträchtlicher Teil des Waldes rund um den Unter-Strick liegt am Boden. Immerhin – bereits einen Tag später war die Strasse wieder passierbar: Einen ausdrücklichen Dank an die Gemeinde und an den Waldbesitzer Sepp Baumgartner. Schwieriger wird es, die Strasse zu flicken und das Holz aus dem Wald zu holen, weil er zum Teil sehr unzugänglich ist. Wer von der Kuonimatt hinaufschaut, sieht die klaffende Lücke im Wald und die Baumstümpfe.
Vor fünf Jahren die Erdrutsche, nun dieses Ereignis: Ich bin selber immer etwas skeptisch, wenn man von einem Einzelereignis gleich auf klimatische Veränderungen schliesst, weil ich mich erinnere, dass es auch in meiner Kinderheit Hagel gab, Überschwemmungen und schwere Gewitter. Was aber am letzten Donnerstag geschah, war doch aussergewöhnlich und passt erschreckend in die Vorhersagen, dass die Schadensereignisse heftiger werden. Ich hoffe schlicht, dass nicht alles eintrifft, was prophezeit wird. Und dass vielleicht die eine oder andere Person ihr Verhalten ändert.

Roderer: Untauglicher Begriff Scheinehe

Aufregung im Sommer: Walter Roderer heiratete vor sechs Jahren seine Grossnichte und gibt freimütig zu, dass wirtschaftliche Gründe für die Ehe sprachen. Nun echauffiert man sich und spricht von Scheinehe. Das ist verständlich, denn es geht bei der Heirat ums Steuern sparen.
Das Beispiel zeigt wunderbar, wie unnütz und vor allem unbrauchbar der Begriff der Scheinehe ist, der ja sonst in anderen Zusammenhängen gebraucht wird. Es gibt einige Hindernisse für eine Ehe, so dürfen die EhepartnerInnen nicht in gewissen Verwandschaftsgraden stehen. Daneben aber, bitte schön, will doch niemand urteilen, ob letztlich die Liebe oder doch das finanzielle Interesse stärker war. Oder dass vielleicht die gute berufliche Stellung des Mannes oder der reiche Hintergrund der Frau der Liebe über gewisse Klippen hinweggeholfen hat. Wer zusammen auf dem Standesamt das Formular unterschrieben hat, gilt als verheiratet. Wenn Nachbarn tuscheln oder Verwandte den Kopf schütteln, so sollen sie dies tun, aber ob das den Staat interessieren muss?

Keine CO2-Abgabe beim Benzin: Unsinnig und gefährlich

Der Nationalrat hat entschieden: Auf den Treibstoffen soll keine CO2-Abgabe erhoben werden. Auf Brennstoffen (Heizöl, Gas) gibt es bereits eine CO2-Abgabe. Der Entscheid ist unsinnig: Wie will man den Verkehr eindämmen, wenn nicht mit Lenkungsabgaben? Härtere Vorschriften bei Neuwagen? Da steht die Schweiz schlechter da als die EU. Mit einer Mobilitäts-Eingrenzung durch Gesetze? Sperrung von Strassen? Vorschriften, wer herumfahren darf? Das wird noch lange dauern. Fazit: Der Autoverkehr wird weiter zunehmen, wie auch die Zunahme beim Benzinverbrauch.

Gefährlich ist das Nein, weil man damit ein weiteres Ungleichgewicht zwischen Mobilitäts- und Gebäudebereich schafft. Im Gebäudebereich wird für viel Geld – privates zuerst, aber auch Steuergelder – saniert und umgebaut. Und im Gebäudebereich wird seit 20 Jahren trotz immer mehr Wohnfläche Heizenergie gespart. Ich erlebe in meiner täglichen Arbeit, dass es nicht einfach ist, Mietende von der Notwendigkeit energetischen Sanierungen zu überzeugen. Zu Recht, muss ich sagen, denn Sanierungen führen oft zu massiven Mietzinserhöhungen. Noch schwieriger wird dies, wenn man den Menschen locker vom Hocker diese  Mietzinserhöhungen wegen Sanierungen auferlegt, gleichzeitig aber nicht bereit ist, den Mobilitätsbereich nur schon anzulangen, geschweige denn, in diesem Bereich den Menschen das gleiche abzuverlangen.

Denn es ist paradox: Im Mobilitätsbereich würden Massnahmen nichts kosten, ausser politischen und gesellschaftlichen Willen. Weniger Autofahren kostet die Gesellschaft sicher nicht mehr. Ein schnelleres Sanieren der Gebäude dagegen kostet jedes Jahr Milliarden.

Verstaatlichung aus der Mitte

Mit einem dringlichen Vorstoss verlangt die CVP, dass der Kanton prüfen soll, die Mehrheit der CKW-Aktion zu erwerben. Das ist ein interessanter Kurswechsel, hat die gleiche Partei vor weniger als zwei Jahren noch dafür gestimmt, dass der Kanton seine Aktien (rund 10 Prozent der gesamten Aktien) vom Verwaltungvermögen ins Finanzvermögen verschiebt und damit das Signal gab, dass sie zur Erfüllung der Staatsaufgaben unwichtig sind.
Unlogisch ist die Strategie sicher nicht, sie würde dem Kanton mehr Gewicht bei der Stromversorgung geben und wäre ganz im Sinne einer zukunftsgerichteten Energiepolitik. Ich werde dem Vorstoss sicher zustimmen.
Man muss aber die Dimensionen sehen: Der Kauf der Aktien würde weit über eine Milliarde Franken kosten. Das wäre zwar machbar, weil man einen Gegenwert erhält, nur muss die CVP erklären, wie sie diese Investition mit ihrer bisherigen Finanzstrategie – die genau ins Gegenteil geht: Verkaufen, Ausgliedern, Sparen – in Einklang bringen will. Da braucht es noch einige Diskussionen um die Ernsthaftigkeit des Vorstosses zu beweisen. Sonst bleibt er nur ein Gedankenexperiment ohne Folgen.

Längere Öffnungszeiten: Kundenbedürfnisse nur ein Argument

Jetzt gibts also auch noch einen Vorstoss, dass die Läden am Samstag bis 17 Uhr offen sein sollen. Stück für Stück kommen wieder die Ideen auf den Tisch, die von der Stimmbevölkerung klar abgelehnt wurden. Die Neue LZ begrüsst den verlängerten Samstagseinkauf mit dem Argument „Der Kunde ist König“.
Logisch, die Kundenbedürfnisse sind bei der Ausgestaltung von Ladenöffnungszeiten wichtig. Sie sind aber nicht das einzige Argument. Es gibt den Arbeitnehmerschutz, also zum Beispiel Personal, das auch einmal ins Wochenende gehen möchte, und es gibt die kleineren Läden, die nicht den Schnauf haben, ihre Geschäfte noch länger offen zu haben.
Als Kunde möchte ich selbstverständlich immer gerade dann einkaufen gehen können, wenn ich etwas nötig habe oder dazu Lust habe. Als Stimmbürger kann ich in einer Gesamtabwägung bei der Gestaltung der Ladenöffnungszeiten zu einem anderen Schluss kommen. Der Mensch ist nicht nur Kunde. Wäre er dies, hätten schon längst alle Geschäfte rund um die Uhr geöffnet.
Und noch etwas: Man hat vor einigen Jahren einen zweiten Abendverkauf eingeführt. Offensichtlich ist das Bedürfnis derart klein, dass fast nur Einkaufszentren davon Gebrauch machen, alle andern Geschäfte machen da nicht mit.

Rückzug von Max Pfister: Ein Hintertreppenwitz der Politik

Max Pfister zieht seine Kandidatur zur Ständeratswahl zurück. Es wird ihm nicht viel anderes übriggeblieben sein, nachdem soviel Unmut über die Interpretation seines CKW-Mandats über ihn hereingebrochen ist. Max Pfister hat sich mit seinem Schweigen sicher ungeschickt verhalten, hat in unerklärlicher Weise geschwiegen und wollte die Sache aussitzen. Sicher ist aber, dass auch die Gesamtregierung in einem schlechten Licht dasteht, denn es wäre an ihr gewesen, den Interpretationswechsel beim Verwaltungsratsmandats CKW offen zu deklarieren.
Dass jetzt Max Pfister über die CKW stolpert, ist ein Hintertreppenwitz. Max Pfister hat zu kaum einem Geschäft ein derartiges Desinteresse gezeigt wie zu den Debatten um die Strompreisen, Konzessionsverträgen und der CKW. Ausgerechnet die CKW-Geschichte vermasselt ihm jetzt eine weitere Karriere.

Die Erkennbarkeit von Wahnsinn

Nochmals. Heute gelesen: „Er hat den Wahnsinn in den Augen“. Dies sagt eine Klingnauerin über einen Ausbrecher, der füher in diesem Dorf gewohnt hat, in der Neuen LZ. „Im Dorf geht die Angst um“, titelt heute Zeitung dazu. Das ist verständlich und nachvollziehbar, ob es die Hauptschlagzeile inklusive zweier ganzen Seiten einer Tageszeitung wert ist, ist eine Frage deren Ausrichtung. Dass man jetzt ganze Artikel mit Aussagen füllt, wie „er ist von der übelsten Sorte“, „Schlägereien waren immer ein Thema“ oder eben: “ Er hat den Wahnsinn in den Augen“, bitte schön, was soll das? Wie erkennt man in Augen eines anderen den Wahnsinn? Werden sie grün oder gelb dabei oder flackern sie?
Mit solchen Zeitungsartikeln werden Angst und Unsicherheit geschürt. Man sollte meinen, man sei mitten im Film „M – Eine Stadt sucht ihren Mörder“ gelandet.